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Vorsicht geboten bei Ausgleichsklauseln!

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern vom 20. April 2022 – 5 Sa 100/21

Arbeitgeber sollten bei der Verwendung von sog. Ausgleichsklauseln genau überlegen, ob deren Einsatz sinnvoll erscheint. Als Ausgleichsklausel bezeichnet man Regelungen in Aufhebungs-/Abwicklungsverträgen oder gerichtlichen Vergleichen, durch die offene Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis zwischen den Beteiligten schnell und umfassend erledigt werden sollen. Hierdurch soll zeitnah Rechtssicherheit entstehen. Allerdings ist bei der Ausgestaltung Vorsicht geboten.

Sachverhalt

Zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 2020 schlossen die Arbeitgeberin und die Arbeitnehmerin einen Aufhebungsvertrag. Dieser regelte unter anderem in einer Ausgleichsklausel, „dass mit der Erfüllung dieser Aufhebungsvereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, vollständig erledigt sind“. Im Nachgang klagte die Arbeitnehmerin einen Entgeltfortzahlungsanspruch für einen Zeitraum im Juni/Juli 2020 ein. Die Arbeitgeberin hatte die entsprechende Vergütung zunächst an die Arbeitnehmerin ausgezahlt, jedoch teilte sie im November 2020 mit der Lohnabrechnung für Oktober 2020 mit, d.h. nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch doch nicht bestünde. Aus diesem Grund rechnete die Arbeitgeberin das ihrer Ansicht nach zu viel bezahlte Gehalt von Juni/Juli 2020 mit dem Oktobergehalt 2020 auf und zahlte der Arbeitnehmerin einen geringeren Nettobetrag aus.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG) hat entschieden, dass es dahinstehen könne, ob ein Rückzahlungsanspruch der Arbeitgeberin entstanden sei. Jedenfalls seien mit Abschluss der Aufhebungsvereinbarung und der als „konstitutives negatives Schuldanerkenntnis“ ausgestalten Klausel sämtliche gegenseitigen Ansprüche erloschen. Die Ausgleichsklausel erfasse dabei auch einen eventuell entstandenen „Bereicherungsanspruch“ wegen einer Gehaltsüberzahlung. Im Interesse der schnellen Erledigung sei die Ausgleichsklausel weit auszulegen. Die Arbeitgeberin konnte damit Anfang November zulässigerweise keine Aufrechnung mehr vornehmen, sodass der Anspruch der Arbeitnehmerin auf Entgeltfortzahlung besteht.

Ausgenommen hiervon sind nach Ansicht des Gerichts lediglich Ansprüche, die neben einer solchen Ausgleichsklausel im Einzelnen und gesondert geregelt werden, wie Arbeitnehmeransprüche auf Urlaub bzw. Urlaubsabgeltung, Überstundenvergütung sowie Ansprüche eines Arbeitgebers auf Rückgabe von Arbeitsmitteln. Der Arbeitgeberin half es nach Ansicht des LAG auch nicht weiter, dass die Parteien vereinbart hatten, dass das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß und entsprechend den arbeitsvertraglichen Regelungen abgerechnet wird und die sich ergebenden Nettobeträge ausgezahlt werden. Die Aufrechnung mit einer früheren Überzahlung falle nicht unter diese aufgenommene Regelung.

Konsequenzen für die Praxis

Das LAG schließt sich damit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an, sodass Ausgleichsklauseln weit auszulegen sind. Aus diesem Grund sollte die Formulierung einer Aufhebungsvereinbarung sorgfältig erfolgen, damit der Arbeitgeber nicht ungewollt auf Ansprüche, wie die Rückzahlung von Gehaltsüberzahlungen oder Provisionsvorschüssen, verzichten muss. Die Rechtsnatur und damit auch welche Wirkung eine Ausgleichsklausel hat, ist durch Auslegung zu ermitteln.

Praxistipps

Wenn die Parteien Ansprüche von der Ausgleichsklausel ausschließen wollen, müssen sie ausdrücklich in der Vereinbarung genannt werden. Erfolgt dies nicht, sind sie verloren und können nicht weiter geltend gemacht werden. Die Entscheidung zeigt, dass auch Arbeitgeber genau überlegen sollten, welche Ansprüche ggf. noch gegen den Arbeitnehmer bestehen könnten. Dies sollte auch vor einem Arbeitsgerichtstermin bzw. vor Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung wohl überlegt werden, damit einem Vergleichsvorschlag nicht voreilig zugestimmt wird.

Nathalie Spitzer

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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Rückzahlungsanspruch Aufhebungsvereinbarung Entgeltfortzahlung Ausgleichsklausel