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EU-Medizinprodukteverordnung und Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz gelten ab heute

Nachdem die Ablösung des Medizinproduktegesetzes ("MPG") durch die Medizinprodukteverordnung (EU) 2017/745 ("MDR") und das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz ("MPDG") durch die Verordnung (EU) 2020/561 vom 23. April 2020 und das zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19. Mai 2020 um ein Jahr auf den 26. Mai 2021 verschoben wurde, tritt heute nunmehr die MDR, welche als EU-Verordnung unmittelbar anwendbar ist, und das MPDG in Kraft. Das MPG wird somit ersetzt und findet grundsätzlich keine Anwendung mehr. Die Verordnung über In-Vitro-Diagnostika (EU) 2017/746 gilt dagegen erst ab dem 26. Mai 2022. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 MPDG ist für In-vitro-Diagnostika bis einschließlich 25. Mai 2022 das MPG in der bis einschließlich 25. Mai 2020 geltenden Fassung anzuwenden. Somit ist für die zurzeit besonders gefragten Corona-Tests zunächst weiterhin das MPG einschlägig.

Wesentliche Neuerungen der neuen Gesetzeslage sind insbesondere die einheitliche Benennung und Überwachung der Benannten Stellen auf Basis konkretisierter und verschärfter Anforderungen, die Schaffung einer Koordinierungsgruppe bestehend aus benannten Experten aller Mitgliedstaaten, die Verpflichtung der Hersteller zur Deckungsvorsorge im Haftungsfall und weitere gesteigerte Anforderungen an die Hersteller, neue Klassifizierungsregeln und die Konkretisierung der Anforderungen an die klinische Bewertung.

Geltungsbereich und Anforderungen an Benannte Stellen

Die MDR stellt insgesamt höhere Sicherheitsanforderungen an Hersteller von Medizinprodukten und sieht eine striktere Kontrolle von ihnen vor. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die erweiterten Befugnisse der Benannten Stellen. Risiken, die von unsicheren Medizinprodukten ausgehen könnten, sollen durch unangekündigte Audits, Stichproben- und Produktprüfungen künftig noch weiter verringert werden. Damit die Benannten Stellen ihre Aufgaben ordnungsgemäß ausführen, werden im Anhang VII zu der MDR die von den Benannten Stellen zu erfüllenden Anforderungen ausführlich dargestellt. Zudem wird auch der Geltungsbereich der MDR erheblich erweitert und umfasst nun auch Produkte, die keine medizinische Zweckbestimmung aufweisen. Diese werden im Anhang XVI zu der MDR erfasst (z.B. Kontaktlinsen oder andere zur Einführung in oder auf das Auge bestimmte Artikel). Eine weitere Änderung ergibt sich für Software. Diese gilt nun als Medizinprodukt, sobald sie dazu bestimmt ist, Informationen zu liefern, die zu Entscheidungen für diagnostische oder therapeutische Zwecke herangezogen werden kann.

Gesteigerte Anforderungen an Hersteller

Auch an Hersteller werden gesteigerte Anforderungen gestellt. Sie werden in Art. 10 MDR verpflichtet, über ein Risikomanagementsystem zu verfügen, klinische Bewertungen durchzuführen, technische Dokumentationen zu erstellen, ein Konformitätsbewertungsverfahren anzuwenden und über ein Qualitätsmanagementsystem zu verfügen. Die Anforderungen an die einzelnen Pflichten, insbesondere die Durchführung klinischer Bewertungen, werden im Anhang zu der MDR näher geregelt und durch das MPDG ergänzt.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Begriffsbestimmungen in der MDR, z.B. zum Hersteller, Bevollmächtigten, Händler oder zum Inverkehrbringen, vom Wortlaut zu den Begriffsbestimmungen in dem bisher geltenden MPG abweichen. So ist z.B. gemäß der MDR der Bevollmächtigte schriftlich zu beauftragen, während gemäß des MPG der Bevollmächtigte ausdrücklich (aber gemäß dem Wortlaut nicht unbedingt schriftlich) dazu bestimmt wurde.

Klassifizierungen und Konformitätsbewertung

Damit ein Produkt eine CE-Kennzeichnung erhalten kann muss es ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen. Die Wahl des Verfahrens hängt von der Risikoklasse des jeweiligen Produktes ab. Auch diese wurden deutlich verschärft. Anhang VIII enthält nunmehr 22 Klassifizierungsregeln, die korrekt angewendet werden müssen.

Sonderzulassungen

Als wichtiges Instrument zur Versorgung mit Medizinprodukten haben sich im Zuge der COVID-19-Pandemie Sonderzulassungen herausgestellt. Durch den bereits seit dem 24. April 2020 in Kraft getretenen Art. 59 MDR werden auch weiterhin behördliche Sonderzulassungen ermöglicht. Er gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, das Inverkehrbringen oder die Inbetriebnahme von Produkten, für die das erforderliche Konformitätsbewertungsverfahren nicht durchgeführt wurde, auf dem nationalen Markt zuzulassen, wenn dies im Interesse der öffentlichen Gesundheit, der Patientensicherheit oder -gesundheit liegt. Auch das MPDG ermächtigt nunmehr gemäß § 7 i. V. m. § 85 MPDG das BfArM, Sonderzulassungen für Medizinprodukte zu erteilen. Gemäß der Gesetzesbegründung entspricht der neue § 7 MEPUAnpG dem bisherigen § 11 MPG. Insbesondere im Hinblick auf mögliche Engpässe, ist nicht auszuschließen, dass von dem Instrument der Sonderzulassung in Zukunft mehr Gebrauch gemacht wird.

Kein Bestandsschutz für bisherige Zertifizierungen

Medizinprodukte, die bis zum Inkrafttreten der MDR genehmigt worden sind, müssen nach den neuen Anforderungen grundsätzlich erneut geprüft und zertifiziert werden. Der Art. 120 MDR liefert hierfür Übergangsfristen und legt in Abs. 2 fest, dass Bescheinigungen, die nach dem 25. Mai 2017 erteilt worden sind, spätestens am 24. Mai 2024 ihre Gültigkeit verlieren. Produkte die vor dem 26. Mai 2021 gemäß den Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden und Produkte, die ab dem 26. Mai 2021 gemäß Artikel 120 Abs. 3 MDR (Produkte der Klasse I gemäß Richtlinie 93/42/EWG) in Verkehr gebracht wurden können bis zum 26. Mai 2025 weiter auf dem Markt bereitgestellt oder in Betrieb genommen werden.

Dr. Silke Dulle

Robert Schmid

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Gesundheitswesen Medizinrecht Medizinerzeugnisse Entwicklung neuer Medizinprodukte EU-Medizinprodukteverordnung

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