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M&A: Unternehmen kaufen in den Niederlanden – Bevor es richtig los geht: Vertraulichkeitsvereinbarung und LOI

Die Niederlande sind ein beliebtes Land für ausländische Investoren, das Volumen an Unternehmenskäufen nimmt stetig zu. Zwei Drittel der Unternehmenskäufer sind strategische Investoren, die durch horizontale oder vertikale Unternehmenskäufe entweder ihren Absatzmarkt erweitern oder Know-how zukaufen wollen. Das restliche Drittel bilden Finanzinvestoren. Grundsätzlich sind die Abläufe von Transaktionen die gleichen wie anderswo, aber doch bleibt es vereinzelt bei landesspezifischen Besonderheiten:

Der Unternehmenskauf im Wege des Asset oder Share Deal ist nicht gesondert gesetzlich geregelt, so dass auf die allgemeinen kaufrechtlichen Regelungen zurückgegriffen wird.

Zu beachten ist jedoch, dass der Grundsatz redelijkheid & billijkheid (Redlichkeit und Fairness) von weitaus größerer Bedeutung ist als der des deutschen Treu & Glaubens. Er ist nicht lediglich ein Korrektiv, welches der Rechtsprechung die Möglichkeit eröffnet zwar tatbestandsmäßige, aber als unbillig empfundene Ergebnisse zu korrigieren. Er ist ein Leitbild, welches zum einen die Rechtsprechung prägt - so orientieren sich Richter viel weniger am Vertragswortlaut -, und zum anderen sich aber auch immer wieder in den Formulierungen der Gesetze wiederfindet.

Gem. ständiger Rechtsprechung des Hoge Raads (oberste zivilrechtliche Instanz in den Niederlanden) ist nicht der Wortlaut eines Vertrages entscheidend. Vielmehr ist auf den Parteiwillen abzustellen, wie er vernünftigerweise hätte formuliert werden müssen; was konnten die Parteien vernünftigerweise voneinander erwarten. Bei der Auslegung berücksichtigt das Gericht auch den sozialen Stand der Parteien und ihre Rechtskenntnisse. Lediglich in einer Entscheidung ging der Hoge Raad von der grammatikalischen Auslegung eines Unternehmenskaufvertrags aus. Hierbei handelte es sich um eine reine Transaktion zwischen sehr großen Unternehmen, die beide durch professionelle Berater unterstützt wurden.

Das Wissen um diese juristische Denkweise ist nicht etwa erst bei der Formulierung des Unternehmenskaufvertrages von Bedeutung, sondern muss im gesamten Transaktionsprozess berücksichtigt werden.

„Der Ablauf einer Standardtransaktion ist im Großen und Ganzen immer gleich. Die kommerziellen Parteien finden sich oder werden durch andere, z. B. Investmentbanker zusammengebracht, sie beginnen nach einer Schnüffelrunde auf einem relativ hohen, bei großen Transaktionen auf höchstem Niveau. Wem das Geschnüffel nicht gefällt, wird abgestraft mit einem empfindlichen Stups auf die Nase, anschließend wird ein Team zusammengestellt, das die Übernahme vorbereitet“, so Professor meester de rechten De Kluijver (Professor Unternehmensrecht an der Universität Amsterdam).

Vertraulichkeitsvereinbarung

In den Niederlanden ist der Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung im Rahmen von Übernahmeverhandlungen allgemein üblich, wobei das Zielunternehmen nicht Partei einer solchen Vereinbarung wird. Auch ohne Vereinbarung werden spezielle Informationen durch datenschutzrechtliche Bestimmungen vor Offenlegung geschützt. Eine zeitliche Beschränkung der Vereinbarungen sieht das niederländische Recht nicht vor. Die Verletzung der Vereinbarung führt zu Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen. Auch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe ist zulässig. Eine vereinbarte feste Vertragsstrafe erspart im Fall einer Verletzung der Vereinbarung die anschließende Schadensberechnung bzw. -schätzung.

Letter of intent (LOI)

Mit Ausnahme von kontrollierten Auktionsverfahren sind Letter of intent (LOI) in niederländischen Transaktionen regelmäßig zu finden.

Die Parteien müssen dabei klar zum Ausdruck bringen, ob die Vereinbarung bindend, nicht bindend oder nur in Bezug auf einzelne Klauseln bindend sein soll. Anzuraten ist auch hier die Aufnahme von Beweggründen, da sich ein Gericht bei der Entscheidung über die rechtliche Verbindlichkeit nicht allein am Wortlaut orientieren wird (s. o.). Beachtet werden muss jedoch, dass in den Niederlanden Verträge über Anteilsverkäufe keinem Formzwang unterliegen und somit auch per E-Mail oder mündlich rechtsverbindlich geschlossen werden können. Es ist somit bei der Formulierung darauf zu achten, dass ein LOI nicht das später beabsichtigte Ergebnis unbeabsichtigt vorwegnimmt.

Gesellschaftsrechtlich ist die Geschäftsführung verpflichtet, die Zustimmung der Anteilseigner einzuholen. Aus diesem Grund ist es strittig, ob in einem LOI Exklusivitätsvereinbarungen wirksam getroffen werden können, da sie ggf. sogar gegen das Gesellschaftsinteresse verstoßen. Ohne die Vereinbarung eines Rücktrittsrechtes dürfte dies kaum wirksam möglich sein. Nur bei einem überwiegenden Interesse der Gesellschaft an der Übernahme durch gerade jenen Käufer kann eine solche Klausel ausnahmsweise halten.

Seit der Entscheidung des Hoge Raads Plas-Valburg steht gesichert fest, dass der Verhandlungsabbruch zu einem Schadensersatzanspruch des Verhandlungspartners führen kann. Dieses gilt ebenso bei Verhandlungen über einen Unternehmenskaufvertrag. Es unterliegt jedoch auch der Vertragsfreiheit der Parteien, einen solchen Anspruch im LOI auszuschließen. Wird eine feste Break-up Fee vereinbart, so ist diese nur wirksam, wenn sie einer redlichen Kostenerstattung entspricht, wobei dann Streitfrage ist, was redlich wäre.

Jan Dwornig

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