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Rückforderung von Fördermitteln bei Vergaberechtsverstößen – Vergaberecht gilt (erst) ab Bekanntgabe des Zuwendungsbescheids!

Das VG Cottbus hat sich in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 21.12.2021, 3 K 256/17) mit der Rückforderung von Fördermitteln bei möglichen Vergaberechtsverstößen befasst. Durch die Nebenbestimmungen des Zuwendungsbescheids werden regelmäßig auch Zuwendungsempfänger, die ansonsten nichts mit der Vergabe öffentlicher Aufträge „am Hut haben“, vergaberechtlichen Bindungen unterworfen. Dies birgt erhebliche Fallstricke, die zum (nachträglichen) Verlust der Zuwendung führen können. Dies wird durch eine strenge verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit von Rückforderungen bei vergaberechtlichen Verstößen noch befeuert.

In seiner aktuellen Entscheidung kommt das VG Cottbus zumindest zu dem begrüßenswerten Ergebnis, dass für Zuwendungsempfänger erst mit der Bekanntgabe des Zuwendungsbescheids vergaberechtliche Bindungen entstehen.

Sachverhalt

Der Kläger stellte am 05.07.2010 einen Antrag bei der Beklagten bezüglich einer Zuwendung für ein Bauvorhaben. Mit der Eingangsbestätigung vom 21.07.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass mit dem Vorhaben nach Antragstellung begonnen werden könne (Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn), der Zuwendungsbescheid aber Auflagen enthalten werde, deren Einhaltung Voraussetzung für die Gewährung wäre. Die Vergabe der Aufträge für das Vorhaben wurde durch den Kläger in verschiedene Lose unterteilt. Zunächst schrieb der Kläger am 05.04.2011 – vor Erhalt des Zuwendungsbescheids – das Los B1 aus. In den Vergabeunterlagen gab der Kläger an, den Zuschlag auf der Grundlage des Preises, der Qualität und des angebotenen Terminplans zu erteilen, wobei er die Kriterien nicht näher differenzierte. Im Vergabevermerk zur erfolgten Auftragsvergabe hieß es hingegen, dass der Zuschlag auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erfolgt sei.

Mit Bescheid vom 24.05.2011 gewährte die Beklagte dem Kläger eine zweckgebundene Zuwendung. Im Zuwendungsbescheid war die Auflage für den Zuwendungsempfänger enthalten, bei der Vergabe von Aufträgen an Dritte die VOB/A 1. Abschnitt bei Bauleistungen und die VOL/A 1. Abschnitt bei Liefer- und Dienstleistungen anzuwenden. Nach Erhalt des Zuwendungsbescheids leitete der Kläger auch die Vergaben in den übrigen Losen ein.

Die EFRE-Prüfbehörde stellte im Rahmen einer Stichprobenprüfung im Jahr 2015 verschiedene Vergaberechtsverstöße fest. So sei hinsichtlich einzelner Lose die Angebotswertung nicht anhand der veröffentlichen Zuschlagskriterien erfolgt. Zudem sei bei einem Los im Leistungsverzeichnis nicht bei allen Produkten der Zusatz „oder gleichwertig“ verwendet worden. Des Weiteren habe der hier geforderte Mindestumsatz von 2 Mio. EUR das fünf- bis sechsfache des geschätzten Auftragswertes betragen. Als Verstoß wurde weiter festgestellt, dass bei einem Los die allgemeinen Vertragsbedingungen der erfolgreichen Bieterin zu Anwendung kommen sollte, was zu einem Ausschluss der Bieterin hätte führen müssen. Zuletzt sei bei einem Los eine unzulässige Verfahrensart gewählt worden. Gegen den in der Folge ergangenen Rückforderungsbescheid und nach Zurückweisung seines Widerspruchs erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht.

Entscheidung

Die Klage war bezüglich der Rückforderung bei Los B1 erfolgreich, da der Bescheid den Kläger nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO in seinen Rechten verletzt hat. Im Übrigen wurde die Klage weitgehend abgewiesen.

Das Verwaltungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass der teilweise Widerruf des Zuwendungsbescheids wegen vergaberechtlicher Verstöße bei Los B1 zu Unrecht erfolgte. Denn der Bescheid, der die Auflage enthielt, wurde dem Kläger erst am 24.05.2011 bekannt gegeben und daher nach Einleitung des Vergabeverfahrens durch den Kläger. Der Zuwendungsbescheid – und damit die Auflage zur Anwendung des Vergaberechts – entfaltete nach § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG erst ab diesem Tage ihre Wirkung. Denn auch wenn ein Verstoß gegen das Vergaberecht wie in diesem Fall erfolgt ist, wirkt sich dies erst mit der Einbeziehung in das Zuwendungsverhältnis auch auf dieses aus.

Das Verwaltungsgericht schließt jedoch auch eine Auflage „mit Rückwirkung“ nicht gänzlich aus. Dies kann die Behörde durch eine entsprechende Formulierung im Zuwendungsbescheid bestimmen, ist im vorliegenden Fall aber nicht erfolgt. Daran ändern auch die Hinweise im Rahmen der Eingangsbestätigung des Förderantrags nichts, denn die bloße Erwartung einer Auflage reicht für einen Widerruf nicht aus. Diese Hinweise stellten keinen eigenständigen Verwaltungsakt dar.

Die Vergabeverfahren für die übrigen Lose wurden erst nach dem Tag der Bekanntgabe des Zuwendungsbescheids am 24.05.2011 eingeleitet. Somit galt für diese Lose uneingeschränkt die Auflage zur Beachtung der vergaberechtlichen Vorschriften. In diesen Verfahren kam es auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts zu den von der EFRE-Prüfbehörde beanstandeten Verletzungen des Vergaberechts. Die teilweise Rückforderung bezüglich dieser Verstöße erfolgte mithin rechtmäßig.

Bewertung und Praxistipp

Die vom Verwaltungsgericht entschiedene Konstellation ist von erheblicher praktischer Relevanz. In vielen Fällen erhalten Zuwendungsempfänger den Zuwendungsbescheid erst viele Monate nach Antragstellung. Um das Projekt dennoch voranzutreiben, stellen Zuwendungsempfänger regelmäßig einen Antrag auf vorzeitigen Maßnahmenbeginn beim Zuwendungsgeber, dem im Regelfall auch stattgegeben wird. Häufig wird dies mit Hinweisen auf die bei der Vergabe von Aufträgen an Dritte geltenden Regeln verknüpft. Dies können Merkblätter oder Verweise auf die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) sein. Diese Hinweise führen – so das Verwaltungsgericht mit erfreulicher Klarheit – nicht zu einer Verpflichtung des Zuwendungsempfängers, die dort enthaltenen Verfahrensregeln zu beachten. Dies erfolgt erst mit der Bekanntgabe des Zuwendungsbescheids gegenüber dem Zuwendungsempfänger. Dies ist aus rechtsstaatlichen Gründen zu begrüßen.

Diese Klarheit schränkt das Verwaltungsgericht leider dahingehend wieder ein, dass es dem Zuwendungsgeber die Möglichkeit einräumt, die vergaberechtliche Bindung im Zuwendungsbescheid, z. B. auf das Datum des vorzeitigen Maßnahmenbeginns, „zurückzudatieren“. Damit hat sich das VG Cottbus der wohl überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung angeschlossen, wonach Auflagen auch mit Wirkung für die Vergangenheit erlassen werden können. Dies lässt sich im Hinblick auf den Charakter einer Auflage als ein in die Zukunft gerichtetes Ge- oder Verbot durchaus abweichend beurteilen.

Aus Gründen der Vorsicht ist Zuwendungsempfängern dennoch zu empfehlen, bereits vor Erhalt des Zuwendungsbescheids die voraussichtlich anzuwendenden vergaberechtlichen Vorgaben des Zuwendungsgebers strikt zu beachten. Gerade Zuwendungsempfängern, die mit dem Vergaberecht bislang keine Berührungspunkte hatten, ist zu empfehlen, sich frühzeitig externer Unterstützung zu bedienen, um die Auftragsvergaben frühzeitig rechtssicher aufzusetzen. Wenn bereits Verstöße begangen wurden, kann der Zeitpunkt des Zuwendungsbescheids aber der mögliche „Rettungsanker“ vor Rückforderungen sein.

Sascha Opheys

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Dokument auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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Vergaberechtsverstöße Rückforderung Zuwendungsbescheid Zuwendung

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