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Aufsichtsrat ohne Umsatzsteuer - Schafft das Bundesfinanzministerium (BMF) endlich Klarheit?

Vor wenigen Tagen hat das BMF ein Schreiben zur umsatzsteuerrechtlichen Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern veröffentlicht. Das BMF ändert seine Auffassung. Künftig sollen die Mitglieder vieler Aufsichtsräte, aber auch anderer Beiräte und Kontrollgremien keine Unternehmer mehr sein.

Das Schreiben datiert zwar bereits vom 8. Juli 2021, einige Zeit war jedoch selbst im BMF unklar, ob es sich um einen Entwurf oder eine abschließende Position der Finanzverwaltung handelt.

Anpassung an die Rechtsprechung des EUGH und BFH

Bislang ist das BMF davon ausgegangen, dass ein Aufsichtsratsmitglied seine Tätigkeit – umsatzsteuerrechtlich betrachtet – selbständig ausübt. Diese Auffassung stand nicht im Einklang mit der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (kurz EuGH) vom 13. September 2019 (C-420/18) und des obersten deutschen Finanzgerichts, des Bundesfinanzhofs (kurz BFH), vom 27. September 2019 (V R 23/19), wonach ein Mitglied des Aufsichtsrats entgegen bisheriger Rechtsprechung zumindest dann nicht als Unternehmer tätig ist, wenn es aufgrund einer nichtvariablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko trägt.

Aufsichtsrat mit Festvergütung künftig kein Unternehmer

Dementsprechend behandelt nun auch das BMF Mitglieder des Aufsichtsrats künftig umsatzsteuerlich nicht als selbständig, wenn sie kein Vergütungsrisiko tragen. Unabhängig davon, ob die Vergütung in Geldzahlungen oder in Sachzuwendungen besteht, handelt es sich, so das BMF, um eine Festvergütung, wenn das Aufsichtsratsmitglied eine pauschale Aufwandsentschädigung für die Dauer seiner Mitgliedschaft im Aufsichtsrat erhält.

Beamte und andere Bedienstete einer Gebietskörperschaft, die für ihren Arbeitgeber oder Dienstherren ein entsprechendes Mandat wahrnehmen und nach beamten- oder dienstrechtlichen Vorschriften verpflichtet sind, die Vergütung bis auf einen festgelegten Betrag an ihren Arbeitgeber bzw. Dienstherren abzuführen, ist es, so das BMF, bei einem bestehenden Vergütungsrisiko nicht zu beanstanden, wenn diese allein aufgrund dieser Tätigkeit ebenfalls als nichtselbständig tätig behandelt werden.

Die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Aufsichtsratsmitgliedern ist von der umsatzsteuerrechtlichen Qualifizierung nicht betroffen. Beide sollen, ebenso wie die Gewerbesteuer, künftig unabhängig voneinander erfolgen.

Sitzungsgelder können Aufsichtsrat zum Unternehmer machen

Sitzungsgelder, die das Mitglied nur erhält, wenn es auch tatsächlich an der Sitzung teilnimmt, sowie nach dem tatsächlichen Aufwand bemessene Aufwandsentschädigungen stellen keine Festvergütung im vorgenannten Sinne dar. Besteht die Vergütung des Aufsichtsratsmitglieds, wie in der Praxis üblich, sowohl aus festen als auch variablen Bestandteilen, ist es grundsätzlich selbständig tätig, wenn die variablen Bestandteile im Kalenderjahr 10 Prozent oder mehr der gesamten Vergütung, einschließlich erhaltener Aufwandsentschädigungen, betragen. Reisekostenerstattungen sind allerdings keine Vergütungsbestandteile und demzufolge bei der Ermittlung der 10 Prozent-Grenze nicht zu berücksichtigen.

Wird einem Aufsichtsratsmitglied eine jährliche Vergütung von EUR 40.000,00 gewährt und hat es Anspruch auf ein Sitzungsgeld in Höhe von EUR 2.300,00 je Sitzung, wird es mit der Teilnahme an der zweiten Sitzung als umsatzsteuerrechtlich selbständig qualifiziert. Da viele Gesellschaften ein solches Sitzungsgeld, nicht zuletzt zum Zwecke der Disziplinierung ihrer Aufsichtsratsmitglieder und zur Schaffung einer gewissen Binnengerechtigkeit gewähren, dürfte die Regelung in der Praxis für solche Aufsichtsratsmitglieder keine Änderung bedeuten.

Nachträgliche Zahlung unschädlich, aber jedes Mandat ist gesondert zu betrachten

Das Aufsichtsratsmitglied trägt auch nicht schon deshalb ein Vergütungsrisiko, weil seine Vergütung nachträglich für mehrere Jahre ausgezahlt wird. Es ist auch nicht deshalb selbständig, weil es unter den Voraussetzungen des § 116 AktG für pflichtwidriges Verhalten haftet (sogenannte Organhaftung).

Diese Grundsätze sind allerdings für jedes einzelne Mandat eines Aufsichtsratsmitglieds gesondert zu prüfen. Das Aufsichtsratsmitglied kann demnach in einem Mandat selbständig tätig sein, in anderen Mandaten hingegen nicht.

Was gilt für den Beirat?

Die neue Auffassung der Finanzverwaltung soll offensichtlich auch auf Beiratsmitglieder angewendet werden, sofern diese – einem Aufsichtsrat gleich – gegenüber der Geschäftsführung kontrollierend tätig sind, was insbesondere dann der Fall ist, wenn Geschäftsführungsmaßnahmen nach dem Gesellschaftsvertrag bzw. der Geschäftsordnung von der Zustimmung des Beirats abhängen. Handelt es sich jedoch um einen lediglich beratenden Beirat, soll es offensichtlich bei der Qualifizierung als Unternehmer bleiben. Es dürfte insoweit nicht darauf ankommen, wie sich das jeweilige Gremium nennt, sondern allein darauf, welche Rechte und Pflichten ihm zukommen; Letzteres gilt im Übrigen auch in anderen Zusammenhängen. Für Beiräte, die aufgrund eines bloßen schuldrechtlichen Beratervertrages für die Gesellschaft tätig sind, bleibt es bei den allgemeinen Qualifizierungen.

Fazit

Wie viele Aufsichts- und Beiratsmitglieder die neue Handhabung der Finanzverwaltung betrifft, wird sich zeigen. Erfreulich ist in jedem Fall, dass das BMF seine Auffassung der Rechtsprechung angleicht und viel Unsicherheit in der praktischen Handhabung und Diskussion mit den Finanzbehörden künftig entfallen dürfte.

Zu begrüßen ist meines Erachtens auch die aktienrechtliche Auswirkung, wonach erfolgsabhängige Vergütungen ein Fremdkörper sein sollten. Der Erfolg des Aufsichtsrats in seiner Tätigkeit ist nicht gleichzusetzen mit seinem Arbeitsaufwand, vor allem aber nicht mit dem Erfolg des Vorstands. Vom Aufsichtsrat ist vor allem dann besonderer Einsatz gefragt, wenn die Lage der Gesellschaft gerade keine Boni und dergleichen rechtfertigt.

Gerne helfen wir Ihnen bei der Prüfung und Gestaltung der Vergütung Ihrer Mandatstätigkeit.

Roland Startz


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