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D&O-Versicherungsschutz betreffend § 64 GmbHG a.F. durch BGH geklärt – Oder etwa doch nicht?

Urteilsanmerkung zu BGH, Urt. v. 18.11.2020, Az. IV ZR 217/19 und LG Köln, Urt. v. 09.12.2020, Az. 20 O 1/20

Mit seinem vielbeachteten Urteil vom 18. November 2020 (Az. IV ZR 217/19) hat der BGH D&O-Versicherungsschutz für den in § 64 S. 1 GmbHG a.F. geregelten Anspruch der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer auf Ersatz von nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleisteten Zahlungen bejaht. Er hat dabei klargestellt, dass Versicherungsbedingungen so auszulegen sind, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Im zu entscheidenden Fall gelangte der BGH unter Zugrundelegung dieses Grundsatzes durch Auslegung zu dem Ergebnis, dass der in § 64 S. 1 GmbHG a.F. geregelte Erstattungsanspruch im Sinne der streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen als gesetzlicher Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz verstanden werden kann und insoweit vom D&O-Versicherungsschutz umfasst ist.

In der Literatur und Beratungspraxis wird das BGH-Urteil vom 18. November 2020 als Abkehr von der bisherigen OLG-Rechtsprechung verstanden. So hatten unter anderem das OLG Celle, das OLG Düsseldorf und das OLG München bislang die Auffassung vertreten, dass Ansprüche nach § 64 GmbHG a.F. gerade nicht vom Versicherungsschutz einer D&O-Versicherung umfasst sind. Einige Landgerichte sind dieser OLG-Auffassung gefolgt. Die Literatur und Beraterpraxis geht aufgrund des BGH-Urteils davon aus, dass die vorgenannte OLG-Rechtsprechung nunmehr hinfällig geworden ist und Klarheit geschaffen wurde, dass Ansprüche nach § 64 GmbHG a.F. , §§ 177a,.130a Abs. 2 HGB a.F. § 92 Abs. 2 S. 1 AktG a.F. und § 15b InsO vom Versicherungsschutz einer D&O-Versicherung umfasst sind. Immer häufiger findet sich in Schriftsätzen der Passus, dass der dahingehende Meinungsstreit durch das BGH-Urteil vom 18.

November 2020 geklärt sei.

Aber ist das so? Mit Urteil vom 9. Dezember 2020 (Az. 20 O 1/20) hat das LG Köln unter ausdrücklicher Würdigung des BGH-Urteils vom 18. November 2020 einen Versicherungsschutz für Ansprüche nach § 64 GmbHG a.F. bzw. §§ 177a,.130a Abs. 2 HGB a.F. verneint. Das LG Köln begründet dies unter anderem damit, dass die dem LG Köln vorliegenden Versicherungsbedingungen von denjenigen Versicherungsbedingungen, welche dem BGH zur Entscheidung vorlagen, abweichen würden. Die im Fall des LG Köln einschlägigen Versicherungsbedingungen würden eine Auslegung dahingehend, dass auch Erstattungsansprüche nach § 64 GmbHG a.F. bzw. §§ 177a,.130a Abs. 2 HGB a.F. vom Versicherungsschutz umfasst sind, nicht zulassen.

Versicherungsbedingungen im zu entscheidenden Fall des BGH

Der BGH kam innerhalb seiner Entscheidung unter anderem deshalb zu dem Ergebnis, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die dort vorliegenden Versicherungsbedingungen dahingehend verstehen durfte, dass der Versicherungsschutz auch die Inanspruchnahme durch einen Insolvenzverwalter nach § 64 GmbHG a. F. umfasst, weil es in diesen zu prüfenden „Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten (ULLA)“ wörtlich hieß:

„1. Gegenstand der Versicherung

1.1 Versicherte Tätigkeit

Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass eine versi-cherte Person wegen einer bei Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit bei der Versicherungsnehmerin, einem Tochterunternehmen oder einem auf Antrag mitversicherten Unternehmen begangenen Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten (hierzu zählt auch der Insolvenzverwalter) auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.

...

1.3 Versicherte Schäden

Vermögensschäden sind solche Schäden, die weder Personenschäden (Tötung, Verletzung des Körpers oder Schädigung der Gesundheit von Menschen) noch Sachschäden (Beschädigung, Verderben, Vernichtung oder Abhandenkommen von Sachen) sind noch sich aus solchen Schäden herleiten.“

Die vom BGH zu auszulegenden Versicherungsbedingungen haben im Klammerzusatz („hierzu zählt auch der Insolvenzverwalter“) also ausdrücklich die Inanspruchnahme auf „Schadensersatz“ durch einen „Insolvenzverwalter“ als versicherter Fall erwähnt.

Urteil des LG Köln vom 09.12.2020, Az. 20 O 1/20

Mit Urteil vom 9. Dezember 2020 (Az. 20 O 1/20) hat das LG Köln unter ausdrücklicher Würdigung des BGH-Urteils vom 18. November 2020 einen Versicherungsschutz für Ansprüche nach § 64 GmbHG a. F. bzw. §§ 177a, 130a Abs. 2 HGB a.F. hingegen verneint. Das LG Köln begründet dies wie folgt:

„Der Annahme, dass für Ansprüche nach §§ 177a, 130a Abs. 2 HGB im vorliegenden Fall kein Deckungsschutz besteht, steht nach Auffassung der Kammer auch nicht die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.11.2020 entgegen (BGH, Urteil vom 18.11.2020 - IV ZR 217/19 -, juris). Dort hatte der Bundesgerichtshof zwar entschieden, dass der in § 64 S. 1 GmbHG geregelte Anspruch der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer auf Ersatz von nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleisteten Zahlungen ein gesetzlicher Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der dortigen Beklagten sei. Das dortige Klauselwerk unterschied sich jedoch in einem wesentlichen Punkt von den hier verwendeten Vertragsbedingungen. So heißt es dort unter § 1.1.:

„Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass eine versichert Person wegen einer bei Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit bei der Versicherungsnehmerin, einem Tochterunternehmen oder einem auf Antrag mitversicherten Unternehmen begangenen Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten (hierzu zählt auch der Insolvenzverwalter) auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.“

Da der Versicherte auch im Fall von Vermögensschäden der Gesellschaft „oder eines Dritten“ gesichert sein soll und insoweit extra hinzugefügt wurde, dass zu diesen Dritten auch der Insolvenzverwalter gehört, mag in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer eher zu der Annahme neigen, dass auch der Anspruch aus § 64 GmbHG vom Versicherungsschutz umfasst wird. Dies gilt gerade deshalb, weil die persönliche Haftung, die ein Insolvenzverwalter gegen den Geschäftsführer geltend machen kann, im Wesentlichen — neben den Ansprüchen aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 15a InsO (Insolvenzverschleppung) – auf § 64 GmbHG zurückzuführen ist (vgl. auch Schmidt/Gundlach, DStR 2018, S. 2030, 2034). Eine derart weite Auslegung des Schadensersatzbegriffs ist durch die Vertragsbestimmung, die im hier zu entscheidenden Fall verwendet wurde, allerdings nicht vorgezeichnet. Da im hiesigen Fall in § 1.1 AVB […] 2012 nur von dem Anspruch „auf Ersatz eines Vermögensschadens" die Rede ist, ohne Ansprüche Dritter zu erwähnen, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer, welcher geschäftserfahren und im Umgang mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen vertraut ist, unter Berücksichtigung des enger gefassten Wortlauts der Klausel hier gerade nicht auf § 64 S. 1 GmbHG bzw. auf §§ 177a, 1302 Abs, 2 HGB gestoßen, so dass aus Sicht des Versicherungsnehmers auch nur Ansprüche auf Schadensersatz im eigentlichen Sinne, also im Sinne der Differenzhypothese, in die Deckung einbezogen sind.“

Nach Auffassung des LG Köln ist es also für eine Auslegung dahingehend, dass auch Ansprüche nach § 64 GmbHG a.F. vom D&O-Versicherungsschutz umfasst sind, nicht ausreichend, wenn in den Versicherungsbedingungen nur von einem Anspruch „auf Ersatz eines Vermögensschaden“ die Rede ist. Vielmehr bedarf es nach Auffassung des LG Köln – wie im zu entscheidenden Fall des BGH – weiterer Anhaltspunkte, die für eine dahingehende Auslegung sprechen, etwa die Erwähnung des Insolvenzverwalters als möglichen Anspruchsgegner.

Fazit

Die Frage, ob Ansprüche nach § 64 GmbHG a.F., §§ 177a,.130a Abs. 2 HGB a. F. § 92 Abs. 2 S. 1 AktG a.F. oder nach § 15b InsO vom Versicherungsschutz einer D&O-Versicherung umfasst sind, ist auch nach dem BGH-Urteil vom 18.

November 2020 nicht abschließend geklärt, wie die Entscheidung des LG Köln vom 9. Dezember 2020 belegt. Für die Beurteilung des Versicherungsschutzes kommt es auch weiterhin maßgeblich auf die jeweiligen Versicherungsbedingungen und den dortigen Wortlaut an.

Dr. Florian Weichselgärtner

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D&O Versicherung Versicherungsbedingungen BGH-Urteil

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