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Die Gesetzesvorhaben der Großen Koalition – weitere Einschränkungen der Flexibilisierung und erhöhter Verwaltungsaufwand?

Der Koalitionsvertrag enthält zahlreiche Gesetzesvorhaben, die Personalabteilungen und Arbeitsrechtler in gleicher Weise intensiv beschäftigen werden. Insbesondere die geplanten Änderungen im Teilzeit- und Befristungsrecht haben in der Öffentlichkeit für Aufsehen gesorgt.

1. Änderungen bei Teilzeitarbeitsverhältnissen

Einführung eines Anspruchs auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit Bereits am 21. Dezember 2016 hatte die letzte Bundesregierung einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts vorgelegt. Nachdem die Umsetzung damals nicht mehr gelang, ist sie nach Aussage des neuen Arbeitsministers Hubertus Heil nun bereits innerhalb der nächsten Monate zu erwarten. Eine der wesentlichen Neuregelungen wird neben dem bereits bekannten Anspruch auf zeitlich unbegrenzte, ein neuer Anspruch auf zeitlich begrenzte Teilzeitarbeit sein. Damit sollen „die vielfältigen Wünsche und neuen Anforderungen der Arbeitszeitgestaltung für Familien und Partnerschaften gestärkt werden, andererseits sollen Arbeitnehmer nicht unfreiwillig in Teilzeit verbleiben müssen“. Voraussetzung hierfür ist, dass das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat und der Arbeitgeber in der Regel mehr als 45 Arbeitnehmer beschäftigt. Ebenso wie bei der zeitlich unbegrenzten Verringerung der Arbeitszeit genügt künftig ein Antrag in Textform, d. h. auch per E-Mail. Der dann in § 9 a des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) geregelte Anspruch ist ebenso wie der bereits bestehende Anspruch auf unbegrenzte Verringerung der Arbeitszeit nicht an das Vorliegen bestimmter Gründe gebunden. Ein Ablehnungsrund durch den Arbeitgeber ist gegeben, wenn der Teilzeitwunsch weniger als ein und mehr als fünf Jahre beträgt, wobei die Tarifvertragsparteien Abweichungen vereinbaren können.

Für Unternehmen von 46 bis 200 Arbeitnehmern wird eine Zumutbarkeitsgrenze dergestalt eingeführt, dass lediglich einem pro angefangenen 15 Arbeitnehmern der Anspruch gewährt werden muss. Bei dieser Berechnung werden die ersten 45 Arbeitnehmer mitgezählt. Wird diese Grenze überschritten, kann der Arbeitgeber den Antrag eines (weiteren) Arbeitnehmers auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit ablehnen.

Praxistipp Vorsicht ist geboten, wenn einem solchen Antrag freiwillig stattgegeben wird. Denn dann könnte für zukünftige Fälle ein Anspruch aus dem Aspekt der Gleichbehandlung entstehen. Gelingt zwischen den Arbeitsvertragsparteien keine Einigung, kann der Arbeitgeber dem zeitlich begrenzten Teilzeitwunsch auch im Hinblick auf den begehrten Zeitraum der Verringerung betriebliche Gründe entgegenhalten. Wie bisher im Zusammenhang mit der unbegrenzten Verringerung der Arbeitszeit birgt dies in der Praxis besondere Probleme. Darüber hinaus ist im Hinblick auf diesen neuen Anspruch als weiterer Ablehnungsgrund z.B. denkbar, dass eine aufwendige und kostenintensive Einarbeitung einer erforderlichen Ersatzkraft völlig außer Verhältnis zum geplanten Zeitraum steht.

Vorsicht ist für Arbeitgeber im Hinblick auf Frist und Form geboten: Die Entscheidung über die Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn – schriftlich – mitzuteilen. Wenn der begehrte und genehmigte Zeitraum der begrenzten Verringerung vorüber ist, kann der Arbeitnehmer auf einen gleichwertigen, jedoch nicht zwingend den gleichen Arbeitsplatz zurückkehren, da das Diretionsrecht nach wie vor Spielräume eröffnet. Frühestens ein Jahr nach diesem Zeitpunkt kann ein neuer Antrag auf Teilzeit gestellt werden.

Verlängerung der Arbeitszeit Der bisher bereits bestehende Anspruch teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer auf eine Verlängerung der Arbeitszeit (§ 9 TzBfG) wird zu Lasten der Arbeitgeber geändert. Zukünftig hat der Arbeitgeber im Falle der Ablehnung darzulegen und ggf. zu beweisen, dass im gesamten Unternehmen kein entsprechend freier Arbeitsplatz zur Verfügung steht, der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nicht mindestens gleich geeignet wie ein anderer Bewerber ist und – wie schon bisher – dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer Teilzeitarbeitnehmer dem Verlängerungswunsch entgegenstehen. Diese Änderung der Darlegungs- und Beweislast wird damit begründet, dass nur dem Arbeitgeber die entsprechenden Informationen bezüglich freier Arbeitsplätze gleicher Eignung vorliegen, dem Arbeitnehmer jedoch regelmäßig nicht. Da wie erwähnt das Unternehmen der Bezugspunkt ist, ist von einer aufwendigen Begründung bei einer Ablehnung auszugehen.

2. Änderung bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen

Änderungen bei der sachgrundlosen Befristung

Nachdem dieser Punkt in den Koalitionsverhandlungen ein wichtiger Faktor war, ist auch hier von einer raschen Umsetzung auszugehen. Zur Vermeidung von Missbrauch bei der sachgrundlosen Befristung sieht der Koalitionsvertrag eine enge Begrenzung der zulässigen Gesamtdauer und der Verlängerungsmöglichkeiten vor. Sachgrundlose Befristungen sollen nur noch für die Dauer von maximal 18 (bisher 24) Monaten zulässig sein. Bis dahin soll nur eine Verlängerung möglich sein. Bisher waren drei Verlängerungen zulässig.

Es soll zudem eine Höchstquote für sachgrundlos befristete Arbeitsverträge festgelegt werden. Danach sollen Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten zukünftig nur noch mit maximal 2,5 % der Belegschaft sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse abschließen dürfen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung dieses Schwellenwertes ist der jeweilige Abschluss eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags. Ist der Schwellenwert von 75 Arbeitnehmern zu diesem Zeitpunkt erreicht, ist die Befristung ohne Sachgrund nur zulässig, wenn die Höchstquote noch nicht überschritten ist. Andererseits soll sich eine Überschreitung des Schwellenwertes wohl nicht auf die Wirksamkeit der bestehenden sachgrundlos befristeten Arbeitsverträge auswirken. Die Quote ist unternehmens- und nicht betriebsbezogen zu ermitteln, Leiharbeitnehmer sind aber wohl nicht zu berücksichtigen.

Praxistipp Es ist zu erwarten, dass zur Ermittlung der im Unternehmen bestehenden Quote zumindest in Arbeitsverträgen mit sachgrundloser Befristung die Rechtsgrundlage für diese sachgrundlose Befristung zukünftig ausdrücklich genannt werden muss. Nur solche als sachgrundlos befristet ausgewiesene Arbeitsverhältnisse wären dann bei der Ermittlung der Befristungsquote zu berücksichtigen. Alle übrigen Befristungen könnten nicht als sachgrundlos angesehen werden und bedürften dann einer Rechtfertigung durch Sachgrund. Die genaue Umsetzung durch den Gesetzgeber auch im Hinblick auf bereits bestehende befristete Verträge bleibt hier abzuwarten.

Wenn die Höchstquote überschritten wird, dann bedeutet dies den Ausschluss weiterer sachgrundloser Befristungen. Bei einem Arbeitgeber mit 300 Arbeitnehmern ergibt sich die Zulässigkeit von 7,5 sachgrundlosen Befristungen. Wenn ein neuer Vertrag bei Vorliegen von bereits sieben sachgrundlosen Befristungen abgeschlossen wird, dann liegt dies noch innerhalb der Quote.

Probleme werden sich auch im Zusammenhang mit der Darlegungs- und Beweislast im Prozess ergeben. Denn der Arbeitnehmer hat inhaltlich nur von seinem eigenen Vertrag sichere Kenntnis und keinen Überblick über andere sachgrundlos befristete Verträge. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber dies berücksichtigt und wahrscheinlich einen Auskunftsanspruch für Arbeitnehmer regeln wird.

Hinweis: Der zuletzt vom Bundesarbeitsgericht angenommene Dreijahreszeitraum im Hinblick auf eine (verfassungsrechtlich problematische) Vorbeschäftigung soll ins Gesetz aufgenommen werden. Das bedeutet, dass ein erneutes sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber wieder nach Ablauf einer Karenzzeit von drei Jahren möglich sein soll.

Änderungen bei der Befristung mit Sachgrund Darüber hinaus soll es eine Beschränkung der Gesamtdauer der Sachgrundbefristung geben, um die „unendlich langen Ketten von befristeten Arbeitsverhältnissen künftig gesetzlich auszuschließen“. Dementsprechend soll die Befristung eines Arbeitsverhältnisses dann unzulässig sein, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein unbefristetes oder mehrere befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Gesamtdauer von fünf oder mehr Jahren bestanden haben. Vorherige Entleihungen des danach befristet eingestellten Arbeitnehmers durch einen oder mehrere Verleihunternehmen sollen dabei angerechnet werden. Bei Erreichen dieser Höchstgrenze von fünf Jahren bedürfte es somit eines Ablaufs einer Karenzzeit von drei Jahren, um ein erneutes befristetes Arbeitsverhältnis abschließen zu können.

3. Weiterbildung

Es soll eine nationale Weiterbildungsstrategie gemeinsam mit den Sozialämtern und den Ländern erarbeitet werden. Die Förderung der beruflichen Weiterbildung soll auch im Sozialgesetzbuch III verbessert werden. Ergänzend zu den bereits bestehenden Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz (§§ 96 ff. BetrVG) soll es eine Stärkung des allgemeinen Initiativrechts der Betriebsräte für die Weiterbildung geben. Die Betriebsparteien und die Arbeitnehmer müssen über Maßnahmen der Berufsbildung beraten, im Falle der Nichteinigung soll ein Moderator angerufen werden können. Dies ist im Hinblick darauf wenig verständlich, dass bereits jetzt die Einigungsstelle zuständig ist, wenn Differenzen zwischen den Betriebsparteien im Zusammenhang mit der Durchführung betrieblicher Bildungsmaßnahmen bestehen.

4. Arbeitszeit

Von vielen Arbeitgebern werden die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes insbesondere im Hinblick auf Höchstarbeits- und Ruhezeiten sowie die Sonntagsarbeit als überholt angesehen. Jedoch befinden sich im Koalitionsvertrag lediglich Regelungen dazu, dass es zunächst Tariföffnungsklauseln für sog. „Experimentierräume“ für tarifgebundene Unternehmen geben soll, um mehr selbstbestimmte Arbeitszeit und mehr betriebliche Flexibilität in der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt zu erproben. Bei solchen tarifgebundenen Unternehmen soll es dann auch Öffnungsklauseln für die Betriebsparteien, u. a. eine flexible Regelung von Höchstarbeitszeiten geben. Daneben ist eine Modifizierung der Arbeit auf Abruf geplant, die mehr Planungs- und Einkommenssicherheit für Arbeitnehmer bringen soll. Der Anteil abzurufender und zu vergütender Zusatzarbeit soll danach die individuelle Mindestarbeitszeit und maximal 20 % unter- bzw. 25 % überschreiten dürfen. Für Krankheits- und Feiertage soll der Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate maßgeblich sein.

5. Sonstige Vorhaben

Statusfeststellungsverfahren Zu begrüßen ist, dass geplant ist, das sog. Statusfeststellungsverfahren für Selbständige zu vereinfachen.

Vereinfachung des Wahlverfahrens für Betriebsräte Das vereinfachte Wahlverfahren mit einer Dauer von wenigen Wochen soll zukünftig für alle Betriebe mit fünf bis zehn Wahlberechtigten verpflichtend sein. In Betrieben ab 101 bis einschließlich 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern soll es die Wahl zwischen dem vereinfachten und dem allgemeinen Wahlverfahren geben. Das allgemeine Wahlverfahren ist, wie viele Unternehmen 2018 im Rahmen der turnusmäßigen Betriebsratswahlen erneut feststellen durften, aufgrund der großen Komplexität mit sehr vielen Rechtsunsicherheiten verbunden. Insofern kommt es Initiatoren von Betriebsräten erheblich entgegen, wenn in kleineren und mittleren Betrieben zukünftig innerhalb kurzer Zeit vereinfacht gewählt werden kann.

AÜG / Stärkung des Arbeitsschutzes Ferner wurde beschlossen, die Evaluierung des in der letzten Legislaturperiode in Kraft gesetzten neuen Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) erst 2020 durchzuführen sowie eine Stärkung des Arbeitsschutzes in Zusammenhang mit der Digitalisierung, u. a. im Hinblick auf psychische Erkrankungen umzusetzen. Diesbezüglich sind Einzelheiten noch nicht bekannt.

6. Fazit

Die Große Koalition hat eine Reihe von Gesetzesvorhaben beschlossen, die für die Praxis erhebliche Auswirkungen haben. Sachgrundlose Befristungen wurden erstmals mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 zur Verbesserung der Beschäftigungslage eingeführt.Aus Arbeitgebersicht hat sich dieses Instrument zur Flexibilisierung, aber auch zur Erprobung späterer Festanstellungen bewährt. Durch die geplante Grenzquote von 2,5 % der Unternehmensbelegschaft wird den Arbeitgebern neben den erheblichen Verschärfungen der Leiharbeit ein weiteres wichtiges Flexibilisierungsinstrument genommen. Zu einem kleinen Teil wird dies in ausgewählten Fällen durch Ausweichen auf die Sachgrundbefristung aufgefangen werden können. Im Bereich der geringeren Qualifikation, in der derzeit die sachgrundlose Befristung besonders stark genutzt wird, werden dann wieder Alternativen wie Fremdvergabe und Werkvertrag eine Rolle spielen. Wo dies nicht möglich ist, werden Arbeitsverhältnisse wieder vermehrt durch Kündigungen beendet werden. Folge wird eine größere Zahl arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen und Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten sein. Einige der geplanten Regelungen sind im Hinblick auf ihren klarstellenden Charakter aber auch zu begrüßen. Die Auswirkungen der befristeten Teilzeit im betrieblichen Alltag bleiben abzuwarten. Auch in dieser Legislaturperiode ist somit wieder mit zahlreichen neuen Gesetzen zu rechnen, die erfahrungsgemäß nicht alle Fragen beantworten werden. Der Verwaltungsaufwand durch das Überwachen von Fristen, Zeiträumen und Schwellenwerten wird zunehmen.

Wenn Sie Fragen zu diesen Themen haben, wenden Sie sich gerne an Markus Künzel.

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