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„Ausgeflötet“ – nur mit dem Corona-Test spielt die Musik

Geimpft, Genesen, Getestet – das ist 3G am Arbeitsplatz. Wer nicht geimpft oder genesen ist oder sein Status dem Arbeitgeber nicht mitteilen möchte, der muss sich testen lassen. Die Musik spielt dann in den Tests. Im Fall des LAG München vom 26.10.2021 (9 Sa 332/21) muss der Satz grammatikalisch geändert werden: „Die Musik spielt nur mit den Tests. “ Oder kurz: „Ausgeflötet“.

Liebe Leserin, lieber Leser,

seit 3G am Arbeitsplatz gilt, mehren sich Fälle von Testverweigerungen, Krankfeiern, Impfpass- und Impfzertifikatfälschungen und damit Arbeitsverweigerungen. Das führt zu Vergütungsfragen und Prozessen bei Arbeitsgerichten.

3G am Arbeitsplatz

Arbeitnehmer dürfen Arbeitsstätten (gesamtes Betriebsgelände, in Gebäuden wie im Freien sowie Baustellen), in denen physische Kontakte nicht ausgeschlossen werden können, nur betreten, wenn sie entweder geimpft, genesen oder getestet sind (§ 28b Abs. 1 IfSG). Erlaubt ist das Betreten der Arbeitsstätte ausnahmsweise, wenn es der Wahrnehmung eines Testangebots des Arbeitnehmers unmittelbar vor der Arbeitsaufnahme oder eines Impfangebotes dient (§ 28b Abs, 1 S. 3 Nr. 1 IfSG).
Arbeitnehmer müssen den 3G-Nachweis hierfür selbständig mit sich führen, zur Kontrolle verfügbar halten oder bei dem Arbeitgeber hinterlegt haben.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Einhaltung der Verpflichtungen der Arbeitnehmer zur 3G-Regelung durch Nachweiskontrollen täglich zu überwachen und regelmäßig zu dokumentieren (§ 28b Abs. 3 IfSG).

LAG München vom 26.10.2021 – 9 Sa 332/21

Die Arbeitnehmerin war Flötistin in einem Opernorchester. Auf das Arbeitsverhältnis war ein Tarifvertrag anwendbar. Der Tarifvertrag sieht vor, dass der Arbeitgeber bei gegebener Veranlassung durch einen Vertrauensarzt oder das Gesundheitsamt feststellen lassen kann, ob der Musiker arbeitsfähig und frei von ansteckenden oder ekelerregenden Krankheiten ist. Das Corona-Hygienekonzept des Arbeitgebers sieht unter anderem eine Teststrategie vor, die bei Dienstantritt in der Spielzeit 2020/2021 von allen Arbeitnehmern einen negativen Testbefund (PCR-Test) als Voraussetzung für die Teilnahme an Musik-Proben und Musik-Aufführungen verlangt. Die Testung wurde durch den Arbeitgeber organisiert und durch medizinisch geschultes Personal als Nasen- Rachen-Abstrich vorgenommen. Die Arbeitnehmer waren berechtigt, alternativ selbst qualifizierte Testergebnisse nachzuweisen.
Die Flötistin verlangte eine Beschäftigung und vertragsgemäße Vergütung auch ohne Corona-Test. Sie lehnte den Test mit der Begründung ab, dieser stelle einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar und berge die Gefahr von Verletzungen im Nasen- oder Rachenbereich. Gerade Spieler von Blasinstrumenten könnten bereits bei geringen Verletzungen im Nasen- und Rachenbereich arbeitsunfähig werden.

Entscheidung

Das LAG München hat entschieden, dass der Arbeitgeber aufgrund des Tarifvertrages berechtigt war, die Testung zu verlangen. Dies gelte auch, ohne dass konkrete Symptome für eine Erkrankung vorlagen. Das LAG hat weiter ausgeführt, dass es sich bei einer Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus um eine ansteckende Erkrankung im Sinne der tariflichen Regelung handele, die auch von symptomfreien Personen übertragen werde, und die bei einem erheblichen Anteil der Erkrankten, insbesondere bei Personen mit höherem Lebensalter, zum Tod, und bei einem erheblichen Anteil der Personen mit leichteren Verläufen zu Langzeitschäden führe. Der Schutz der Orchesterkollegen vor Ansteckung sei gerade bei der Tätigkeit als Flötistin anderweitig nicht möglich. Die Testpflicht sei verhältnismäßig. Der Nasen- und Rachenabstrich sei nicht zwingend gewesen. Der Arbeitgeber habe es vielmehr akzeptiert, dass die Arbeitnehmer einen PCR-Test bei einem Arzt ihres Vertrauens in Form eines reinen Rachenabstrichs durchführen. Hierin liege kein unzulässiger Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Ein Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen habe nicht vorgelegen. Der Arbeitgeber war deshalb nicht verpflichtet, die Flötistin ohne Vorlage eines Tests auf eine Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus zu beschäftigen und musste ihr aufgrund ihrer Weigerung auch keine Vergütung zahlen, solange sie aufgrund ihrer Weigerung ihrer Verpflichtung nicht nachkommen durfte, an Proben und Aufführungen teilzunehmen.

Praxistipp

Das Urteil des LAG München zeigt, dass arbeitsrechtliche Sanktionen bei Testverweigerern im Rahmen von 3G am Arbeitsplatz oder einem sonstigen Hygienekonzept möglich sind. Insbesondere kann die Vergütung bei einer solchen Arbeitsverweigerung einbehalten werden. Arbeitnehmer, die Tests verweigern und dann – teilweise angekündigt – in die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit flüchten, erschüttern auch den Beweiswert einer etwaigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Auch hier können Arbeitgeber die Vergütung einbehalten und gegebenenfalls weitere arbeitsrechtliche Sanktionen, wie Abmahnung oder Kündigung durchführen.
Die Flötistin hat – vorübergehend - ausgeflötet. Nach meiner Einschätzung – allerdings nur mit rudimentären Musikkenntnissen – klingt ein Opernorchester ohne eine Flötistin immer noch besser als kein Orchester, wenn z.B. alle in Quarantäne müssten.

Herzliche (arbeitsrechtliche) Grüße
Ihr Dr. Erik Schmid

Dieser Blog ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Erik Schmid im Rehm-Verlag (www.rehm-verlag.de) erschienen.

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Arbeitspflicht des Arbeitnehmers Testpflicht Testverweigerung 3G-Regelung

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