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Die Krankheit und der Urlaub…

die hatten einen Streit,
wer wohl am wichtigsten wäre
wer wohl am wichtigsten wäre
in der schönen Arbeitszeit
in der schönen Arbeitszeit.

Krankheit und Urlaub verhält sich aus arbeitsrechtlicher Sicht wie Kuckuck und Esel im gleichnamigen deutschen Kinderlied. An sich hat Krankheit und Urlaub ja so gar nichts miteinander zu tun. Andererseits verstehe ich – derzeit coronabedingt in Quarantäne – sehr gut, dass in solchen Situationen nicht nur an die Genesung, sondern an Strand und Palmen, Berge und Seen, Ski- und Aprés-Skipisten gedacht wird und das Fernweh steigt. Beim arbeitsrechtlichen Konflikt zwischen Urlaub und Krankheit geht es jedoch um den Verfall. 

Liebe Leserin, lieber Leser,

es ist Anfang Februar 2022. In wenigen Wochen, mit Ablauf des 31.03.2022 wird der (gesetzliche) Resturlaub aus dem Jahr 2021 – soweit er nicht bereits am 31.12.2021 verfallen ist und ausnahmsweise in das Folgejahr übertragen wurde – verfallen. Gilt das auch für Langzeiterkrankte und was muss der Arbeitgeber für den Verfall tun? Weitere Antworten gibt das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 07.09.2021.

Grundsätze des Urlaubsrechts

  • Urlaub ist im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen, das bedeutet im Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.
  • nicht genommener Urlaub erlischt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres am 31.12.
  • Es bestehen hohe Anforderungen an den Verfall von Urlaub. Arbeitgebern obliegt die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Arbeitgeber müssen konkret und in völliger Transparenz dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten (gesetzlichen) Jahresurlaub zu nehmen, indem sie ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordern, dies zu tun.
  • Die Übertragung von Urlaub bis zum 31.03 des Folgejahres kommt als gesetzliche Ausnahme in zwei Fällen in Betracht: bei dringenden betrieblichen Gründen oder bei Gründen in Person des Arbeitnehmers, wie der dauerhaften Erkrankung des Arbeitnehmers.

Langzeitkrankheit und Urlaub

Krankheit steht dem Urlaub entgegen. Wer arbeitsunfähig krank ist, muss bzw. kann keinen Urlaub nehmen, da die Gewährung von Urlaub Arbeitsfähigkeit voraussetzt. Bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern verfällt der im Kalenderjahr nicht genommene Urlaub nicht am 31.12., sondern wird aufgrund personenbedingter Gründe auf das Folgejahr übertragen. Wenn die Krankheit weiter andauert, verfällt der Urlaub nach ständiger Rechtsprechung bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres. Beispielsweise verfällt Urlaub aus dem Kalenderjahr 2021 bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern mit Ablauf des 31.03.2023.

Bisher war umstritten, ob und wenn ja welche Mitwirkungsobliegenheit den Arbeitgeber bei der Erteilung von Urlaub an langzeiterkrankte Arbeitnehmer trifft.

BAG, Urteil vom 07.09.2021 – 9 AZR 3/21 (A)

Im Fall des BAG stritten die Parteien über die Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2015 bis 2017. Der Arbeitnehmer war vom 18.11.2015 bis 31.12.2019 krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Er hatte Anspruch auf 30 Urlaubstage pro Jahr. 2015 gewährte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer 21 Urlaubstage, in den Jahren 2016 und 2017 keinen Urlaub. Die Arbeitgeberin hat den Arbeitnehmer nicht aufgefordert, Urlaub zu nehmen und auch nicht darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums verfallen kann.

Nach Auffassung des BAG sind die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers aus 2016 am 31.03.2018 und die Urlaubsansprüche aus 2017 am 31.03.2019 verfallen. Über den Urlaub 2015 konnte aus anderen Gründen keine Entscheidung getroffen werden. Das BAG bestätigte, dass bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern der Urlaubsanspruch über das Ende des Urlaubsjahres und des Übertragungszeitraums hinaus aufrechterhalten bleibt und bei fortlaufender Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres verfalle.

Andererseits setze das Urlaubrecht jedoch voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer – erforderlichenfalls förmlich – auffordere, seinen Urlaub zu nehmen und ihm klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums verfalle, wenn er ihn nicht beantrage. Diese Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers bestünden auch, wenn und solange der Arbeitnehmer arbeitsunfähig sei. Der Arbeitgeber könne nämlich den arbeitsunfähigen Arbeitnehmer rechtzeitig entsprechend den gesetzlichen Vorgaben unterrichten und ihn auffordern, den Urlaub bei Wiedergenesung vor Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums rechtzeitig zu beantragen.

Der Verfall des Urlaubsanspruchs bei Langzeiterkrankten nach 15 Monaten sei allerdings nicht von der Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers abhängig, wenn es – was erst im Nachhinein feststellbar sei – objektiv unmöglich gewesen wäre, den Arbeitnehmer durch Mitwirkung des Arbeitgebers in die Lage zu versetzen, den Urlaubsanspruch zu realisieren. Dies sei der Fall, wenn der Arbeitnehmer durchgehend bis zum 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgende Kalenderjahr arbeitsunfähig sei.

Fazit

Das BAG bestätigt damit die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers auch bei Langzeiterkrankten für den Verfall von Urlaub. Hingegen verfallen Urlaubsansprüche von Langzeiterkrankten, die (vollständig) während der Arbeitsunfähigkeit entstanden sind, 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres auch dann, wenn der Arbeitgeber die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten während dieser Zeit nicht erfüllt. Das ist nachvollziehbar, da Urlaub bereits aufgrund der weiterhin bestehenden dauerhaften Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden konnte.

Mit herzlichen (arbeitsrechtlichen) Grüßen

Ihr Dr. Quarantänerik Schmid

Dieser Blog ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Erik Schmid im Rehm-Verlag (www.rehm-verlag.de) erschienen.

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