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Invaliditätsversorgung - reicht eine „befristete" Erwerbsunfähigkeit für eine „voraussichtlich dauernde" aus?

Bundesarbeitsgericht vom 13. Juli 2021 - 3 AZR 445/20

Ein Arbeitnehmer hat dann einen Anspruch auf betriebliche Invaliditätsversorgung, wenn er die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung erfüllt. Die nur befristete Gewährung einer Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung steht dem Anspruch nicht entgegen, wenn die Versorgungszusage regelt, dass „bei Eintritt einer voraussichtlich dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts" eine monatliche Invaliditätsrente gezahlt wird.

Sachverhalt

Das BAG hatte über die Gewährung von betrieblicher Altersversorgung in Form von Invaliditätsleistungen bei einem Arbeitnehmer zu entscheiden, dessen gesetzliche Erwerbsminderungsrente auf drei Jahre befristet war. Der Arbeitgeber sah aufgrund der Formulierung in der Versorgungszusage des klagenden (ehemaligen) Arbeitnehmers die Leistungsvoraussetzungen für die durch ihn zu gewährende Invaliditätsversorgung als nicht gegeben an. Die Befristung der dem Arbeitnehmer gewährten gesetzlichen Erwerbsminderungsrente sprach nach seiner Auffassung gegen die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen.

Invaliditätsversorgung:

Bei Eintritt einer voraussichtlich dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts erhalten Sie lebenslänglich, längstens jedoch für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit eine monatliche Invalidenrente."

Der Arbeitnehmer sah die Voraussetzungen einer „voraussichtlich dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts" nach der ihm vom beklagten Arbeitgeber erteilten Versorgungszusage als erfüllt an. Zwar sei die gesetzliche Erwerbsminderungsrente nur befristet bewilligt worden, dies entspräche jedoch der insoweit maßgeblichen gesetzlichen Regelung in § 102 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und genüge nicht, um dem Arbeitgeber als Argument für die Ablehnung von Invaliditätsleistungen zu dienen.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht kam zum Ergebnis, dass eine „dauernde völlige Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts" bereits mit der Zusage einer an die Invalidität anknüpfenden Rente gemäß § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI – als derzeit maßgeblicher gesetzlicher Regelung – gegeben ist. Die nur befristete Gewährung sei ohne Bedeutung, weil es sich bei den §§ 99 ff. SGB VI lediglich um Verfahrensvorschriften handele, die nicht den Begriff der dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrecht definieren. Die §§ 99 ff. SGB VI regeln unter anderem den Beginn, das Ende und die Befristung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Konsequenzen für die Praxis und Praxistipp

Bei der künftigen Formulierung von – freiwillig durch den Arbeitgeber eingeräumten – Versorgungszusagen sollte darauf geachtet werden, dass sie tatsächlich (nur) den vom Arbeitgeber angedachten Sachverhalt decken. Andernfalls sehen sich Unternehmen gegebenenfalls in der Situation, zu Leistungen verpflichtet zu sein, die so nicht beabsichtigt waren.

Julia Meler

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Arbeitsrecht BAG vom 13. Juli 2021 3 AZR 445/20 Invaliditätsversorgung Altersversorgung Erwerbsunfähigkeit Invalidenrente