BLOG -


Rückgängigmachung einer Kündigung

Schon mal eine Erklärung bereut?

Wer hat in seinem Leben noch keine Erklärung bereut, spätestens nach einmal drüber schlafen oder nach Rücksprache im Familien- oder Freundeskreis. Beispielsweise die Erklärung zum Kauf eines teuren und extravaganten Kleidungsstücks, das doch nicht ganz so gut sitzt, die Zusage zu einer Party deren Gastgeber ein Langweiler ist, das "Ja" bei der Hochzeit in Las Vegas mit der 10-Stunden-Bekanntschaft, die Bitte an den Tätowierer, das Tattoo nach durchzechter Nacht doch etwas größer sichtbar im Gesicht zu stechen oder die Erklärung des Arbeitnehmers zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Liebe Leserin, lieber Leser,

sicherlich hat jeder schon mal eine Erklärung bereut. Doch wie kann die Erklärung möglichst schadlos rückgängig gemacht werden? Eine einseitige Willenserklärung, wie bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann nach Zugang beim Arbeitgeber als Erklärungsempfänger nicht einfach einseitig zurückgenommen werden. Das LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.07.2023 - 5 Sa 318/22 hat zur Anfechtung einer Kündigungserklärung Stellung genommen.

Rückgängigmachung einer einseitigen Willenserklärung

Eine einseitige Willenserklärung, wie die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer kann durch folgende Maßnahmen "rückgängig" gemacht werden:

  • Widerruf I: Eine Willenserklärung kann bei spätestens gleichzeitigem Zugang von Willenserklärung und Widerruf oder bei vorherigem Zugang des Widerrufs widerrufen werden.
  • Widerruf II: Bei besonderen Verträgen, wie bei Verbraucherverträgen bei Haustürgeschäften steht dem Erklärenden ein Widerrufsrecht zu.
  • Anfechtung wegen Irrtum: Die Willenserklärung kann angefochten werden, wenn sich der Erklärende über den Inhalt der Erklärung getäuscht hat.
  • Anfechtung wegen Täuschung: Wer zur Abgabe einer Willenserklärung arglistig getäuscht wurde, kann die Erklärung ebenfalls anfechten.
  • Anfechtung wegen Drohung: Wer zur Abgabe einer Willenserklärung widerrechtlich bedroht wurde, kann auch die Erklärung anfechten.

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.07.2023 - 5 Sa 318/22

Arbeitgeber und Arbeitnehmer streiten über die Wirksamkeit einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer war als Feuerwehrmann beschäftigt. Während der Corona-Pandemie waren besondere Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz vorgeschrieben, um das Infektionsrisiko zu senken. Beispielsweise durften Beschäftigte Arbeitsstätten nur betreten, wenn sie geimpft, genesen oder getestet waren und einen Impf-, Genesenen- oder Testnachweis mit sich führten, zur Kontrolle verfügbar hielten oder beim Arbeitgeber hinterlegten (sog. 3G-Regel am Arbeitsplatz). Der Arbeitnehmer legte ein digitales COVID-19-Impfzertifikat vor, das durchgeführte Impfungen mit vollständigem Impfschutz auswies. Der Arbeitgeber bezweifelte die Echtheit des vorgelegten Zertifikats und erstattete Strafanzeige. Es fand eine Anhörung des Arbeitnehmers wegen des Verdachts statt, dass er dem Arbeitgeber ein unrichtiges COVID-19-Impfzertifikat vorgelegt habe. Der Arbeitnehmer beteuerte bei seiner Anhörung, er sei vollständig geimpft, das vorgelegte Impfzertifikat sei echt. Nach einer Unterbrechung zur Beratung eröffnete der Vorgesetzte dem Arbeitnehmer, dass er sich entschieden habe, eine außerordentliche Verdachtskündigung zu empfehlen bzw. zu erklären; bis dahin stelle er ihn frei. Der Vorsitzende der Betriebsvertretung schlug als Alternative eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers mit anschließender Freistellung vor. Die Mitarbeiterin der Personalabteilung fertigte am Computer eine schriftliche Eigenkündigung, die der Arbeitnehmer unterschrieb. In den Text wurde als Kündigungsgrund „aus medizinischen Gründen“ aufgenommen. Mit Anwaltsschreiben focht der Arbeitnehmer die Eigenkündigung aus allen erdenklichen Gründen, insbesondere wegen widerrechtlicher Drohung nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB an.

Das LAG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung nicht widerrechtlich sei, wenn der dringende Verdacht bestehe, der Arbeitnehmer habe dem Arbeitgeber ein falsches digitales COVID-19-Impfzertifikat vorgelegt, um sich entweder unbefugten Zutritt zum Arbeitsplatz zu verschaffen oder eine tarifliche Impfprämie zu erschleichen.

Tipps für das Trennungsgespräch für Arbeitgeber

In einem Gespräch zur Anhörung des Arbeitnehmers aufgrund eines dringenden Verdachts einer Pflichtverletzung oder im Trennungsgespräch dürfen Arbeitgeber durchaus "mutig" sein. Arbeitgeber sind unter anderem berechtigt, mit einer Kündigung zu "drohen" und/oder direkt eine

Aufhebungsvertrag anzubieten und abzuschließen.

Herzliche (arbeitsrechtliche) Grüße aus München

Ihr Dr. Erik Schmid



Dieser Blog ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Erik Schmid im Rehm-Verlag (www.rehm-verlag.de) erschienen.



Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.



TAGS

Kündigung Arbeitsrecht Anfechtung einer Eigenkündigung Kündigungsandrohung

Kontakt

Dr. Erik Schmid T   +49 89 35065-1127 E   Erik.Schmid@advant-beiten.com