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Urlaub in Quarantäne? - Darüber entscheidet bald der EuGH

Bundesarbeitsgericht vom 16. August 2022 - 9 AZR 76/22 (A)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob es mit dem europäischen Recht vereinbar ist, wenn einem Arbeitnehmer, der eine behördliche angeordnete Quarantäne einzuhalten hatte, Erholungsurlaub nicht nachgewährt wird, weil der betroffene Arbeitnehmer selbst nicht krank war.

Sachverhalt

In dem zugrundeliegenden Fall musste sich ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs in Quarantäne begeben, da er Kontakt zu einer mit dem Coronavirus infizierten Person hatte. Er forderte die Nachgewährung des unnütz vertanen Urlaubs und stützte seine Klage darauf, dass er seinen Urlaub infolge der Quarantäneanordnung nicht selbstbestimmt gestalten konnte. Nachdem das Arbeitsgericht Hagen die Klage abgewiesen hatte, gab das Landesarbeitsgericht Hamm dem Arbeitnehmer in zweiter Instanz Recht.

Die Entscheidung

Das BAG hat nun zunächst den EuGH angerufen. Zwar gibt es im Bundesurlaubsgesetz eine Regelung, wonach Krankheitstage nicht auf den Urlaub angerechnet werden. Diese Vorschrift betrifft jedoch nur Krankheitstage und ist nach der überwiegenden Meinung der Instanzgerichte nicht auch auf die Fälle anwendbar, in denen der Arbeitnehmer, ohne selbst erkrankt zu sein, als Kontaktperson in Quarantäne muss (siehe dazu auch Urlaub machen kann man auch in Quarantäne | Advant Beiten). Aus dem EU-Recht, namentlich der EU-Arbeitszeitrichtlinie sowie der EU-Grundrechte-Charta, könnte jedoch ein anderes Ergebnis folgen, weshalb das BAG das Verfahren bis zu einer Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen nun ausgesetzt hat.

Konsequenzen für die Praxis

Die Vorlage an den EuGH birgt das nicht unerhebliche Risiko der Nachgewährung von Urlaubstagen bei Arbeitnehmern, die ihren Urlaub, obwohl sie selbst nicht erkrankt waren, in Quarantäne verbringen mussten. Nach deutschem Recht besteht für eine erneute Urlaubsgewährung keine Rechtsgrundlage, allerdings könnte der EuGH wegen der besonderen Bedeutung des Anspruchs auf einen bezahlten Jahresurlaub zu einer anderen Entscheidung gelangen.

Praxistipp

Die Vorlage des BAG an den EuGH bringt den Arbeitgeber in eine ungewisse Situation. Solange der EuGH nicht festgestellt hat, dass die nicht erfolgte Nachgewährung von Urlaubstagen in derartigen Fällen unionsrechtswidrig ist, können Arbeitgeber Urlaubsnachgewährungsansprüche von Arbeitnehmern zwar vorerst weiter ablehnen, sie müssen dabei nun allerdings ein erhöhtes Klagerisiko in Kauf nehmen. Arbeitgeber sollten sich höchstvorsorglich auch darauf einstellen, dass Arbeitnehmern ein entsprechender Anspruch zusteht, und dies bei ihren Planungen berücksichtigen. Zudem sollten sie hierfür bereits notwendige Rückstellungen bilden. Mit einer Entscheidung des EuGH dürfte erst im kommenden Jahr zu rechnen sein. Im Übrigen bleibt es den Arbeitgebern unbenommen, entsprechende Urlaubsansprüche schon jetzt nachzugewähren, sei es etwa, um die Bindung der Mitarbeiter zum Unternehmen zu stärken. In diesem Fall sollte darauf geachtet werden, dass etwaige Ansprüche aus betrieblicher Übung vermieden werden.

Maximilian Quader

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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Quarantäne Urlaub Urlaubsanspruch Nachgewährung