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Verjährung von Urlaubsansprüchen – (k)ein Rettungsanker?

Bundesarbeitsgericht vom 20. Dezember 2022 - 9 AZR 266/20

Bereits im Jahr 2018 wurde durch den EuGH entschieden, dass gesetzliche Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer ohne rechtzeitigen Hinweis der Arbeitgeber nicht zum Jahresende verfallen. Um jedoch eine jahrelange Ansammlung von Urlaubsansprüchen bei verpassten Hinweisen zu vermeiden, konnten Arbeitgeber bisher mit der sogenannten Einrede der Verjährung größeres Unheil vermeiden. Nun hat das BAG die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der Vorabentscheidung vom 22. September 2022 (C-120/21) umgesetzt und entschieden, dass auch die Verjährung, als letzter Rettungsanker, nicht mehr weiterhilft, wenn Arbeitgeber ihrer Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit nicht nachgekommen sind.

Sachverhalt

Eine Arbeitnehmerin hatte jahrelang ihren Urlaubsanspruch nur teilweise genommen und so mit der Zeit über 100 offene Urlaubstage angesammelt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses stritten der Arbeitgeber und die Arbeitnehmerin über die Abgeltung dieser Urlaubsansprüche. Der Arbeitgeber hatte die Arbeitnehmerin während des gesamten laufenden Arbeitsverhältnisses nicht aufgefordert, Urlaub zu nehmen. Ebenso wenig hatte er darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub verfallen werde. Im gerichtlichen Verfahren berief sich der Arbeitgeber sowohl auf den Verfall als auch auf die (teilweise) Verjährung von Urlaubsansprüchen aus vorangegangenen Jahren.

Die Entscheidung

Das BAG hat entschieden, dass die Ansprüche weder am Ende des Kalenderjahres verfallen sind, noch konnte der Arbeitgeber erfolgreich einwenden, dass der nicht gewährte Urlaub während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren bereits verjährt sei. Zwar stellt das BAG klar, dass die Vorschriften über die Verjährung auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich Anwendung finden, jedoch beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren bei richtlinienkonformer Auslegung des § 199 Abs. 1 Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht zwangsläufig mit Ende des jeweiligen Urlaubsjahres, sondern erst mit Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt hat. Sofern dies nicht geschehen ist, kann eine Verjährung nicht eingewandt werden. Insbesondere stellt das BAG zudem klar, dass auch nicht aus Rechtssicherheitsgründen anders zu entscheiden sei, da der Arbeitgeber es selbst in der Hand habe, die Verjährungsfrist durch das Nachholen der entsprechenden Hinweise in Gang zu setzen und so für Rechtssicherheit zu sorgen.

Konsequenzen für die Praxis

Das BAG hat sich damit der Entscheidung des EuGH angeschlossen und entschieden, dass auch die sogenannte Einrede der Verjährung, als letzter Rettungsanker, nicht mehr weiterhilft, wenn Arbeitgeber ihrer Hinweisobliegenheit nicht nachgekommen sind. Damit laufen Arbeitgeber nun Gefahr, dass sie einer jahrelangen Ansammlung von Urlaubsansprüchen gegenüberstehen.

Praxistipp

Wenn Arbeitgeber verhindern wollen, dass Urlaubsansprüche auf das neue Jahr übertragen und schlimmstenfalls über Jahre hinweg angesammelt werden, sollten sie spätestens nach dieser Entscheidung Standardprozesse zur Erfüllung ihrer Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit einführen. Anderenfalls greift auch der letzten Rettungsanker der Verjährung nicht mehr.

Nathalie Spitzer

Hinweis: Mit einer Parallelentscheidung des BAG zum Verfall von Urlaubsansprüchen befasst sich Anne-Kathrin von Dahlen in folgendem Blogbeitrag.

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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Urlaubsanspruch Urlaubsverfall