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Wenn die Braut in Quarantäne muss: Schadenersatzanspruch wegen abgesagter Hochzeit

Landesarbeitsgericht München vom 14. Februar 2022 – 4 Sa 457/21

Hochzeit versaut, weil Hochzeit verseucht. So könnte man die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) München kurz zusammenfassen. Eine Hochzeitsfeier musste abgesagt werden, weil ausgerechnet die Braut in Quarantäne musste. Zumindest auf dem Schaden blieb das Brautpaar aber nicht sitzen, weil das LAG (passend am Valentinstag) der Arbeitnehmerin (also der Braut) einen Anspruch auf Schadenersatz zusprach.

Sachverhalt

Der Geschäftsführer des Arbeitgebers kam erkältet aus dem Urlaub zurück. Trotz offensichtlicher Erkältungssymptome isolierte er sich aber nicht vorsorglich, sondern ging unmittelbar nach dem Urlaub wieder ins Büro und nahm auch Auswärtstermine wahr. Die Arbeitnehmerin nahm der kränkelnde Geschäftsführer auch noch im Auto zu verschiedenen Auswärtsterminen mit. Eine Maske trug im Auto keiner von beiden. Es kam wie es kommen musste: Wenig später war der Geschäftsführer Corona-positiv. Als Kontaktperson musste die Arbeitnehmerin nach den damals geltenden Bestimmungen in Quarantäne und die geplante Hochzeit konnte nicht mehr stattfinden. Caterer, Musik, Räumlichkeiten: Alles musste abgesagt werden. Insgesamt belief sich der Schaden auf ca. 5.000 €. Dieses Geld wollte die Arbeitnehmerin nun vom Arbeitgeber wiederhaben. Vor dem Arbeitsgericht gewann sie. Der Arbeitgeber wollte aber nicht zahlen und ging in Berufung.

Die Entscheidung

Das LAG folge dem Arbeitsgericht und hielt das Urteil aufrecht. Durch das Verhalten des Geschäftsführers hat der Arbeitgeber nach Ansicht des LAG gegen seine Fürsorgepflicht verstoßen und so die Absage der Hochzeit verursacht. Aus Sicht des LAG hätte der erkältete Geschäftsführer die Arbeitnehmerin nicht im Auto mitnehmen dürfen. Wäre er nicht ins Büro gekommen oder wären die beiden zumindest in getrennten Autos gefahren, hätte die Arbeitnehmerin nicht in Quarantäne gemusst und die Hochzeit hätte wie geplant durchgeführt werden können. Ein schadensminderndes Mitverschulden der Arbeitnehmerin (sie hätte ja Maske tragen oder im eigenen PKW fahren können), sah das LAG nicht. Es könne von der Arbeitnehmerin nicht erwartet werden, dass sie gegenüber ihrem Vorgesetzten verlange, ein zweites Auto zu nutzen. Dies wäre nach Ansicht des LAG einem Hinweis der Angestellten gegenüber dem Geschäftsführer gleichgekommen, dass dieser seinen eigenen Gesundheitszustand nicht ausreichend beachte und nicht adäquat darauf reagiere. Das wollte das LAG auch in Pandemiezeiten von der Arbeitnehmerin nicht verlangen.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung setzt sich lehrbuchartig mit den Fragen des Pflichtenkatalogs für Arbeitgeber, Pflichtverletzungen, Kausalität und Mitverschulden auseinander. Die Entscheidung ist besonders praxisrelevant, weil sie die Bedeutung betrieblicher Hygienekonzepte einmal mehr unterstreicht. Die Verletzung von Fürsorgepflichten kann unter Umständen teuer werden und bekommt – oft wenig greifbar – durch diese Entscheidung klare Konturen.

Praxistipps

Der Gesetzgeber hat sich aus der Pandemiebekämpfung am Arbeitsplatz fast komplett verabschiedet. Klare und verbindliche Regelugen gibt es kaum, die Verantwortung wurde auf die Arbeitgeber abgewälzt. Da die Pandemie aber noch nicht vorbei ist und es spätestens im Herbst wieder zu höheren Fallzahlen kommen dürfte, sollten Arbeitgeber die trügerische „Corona-Sommerpause“ nutzen, um die bestehenden betrieblichen Hygienekonzepte zu überprüfen und anzupassen. Dabei sollte man immer dran denken: 2020 und 2021 sind viele Hochzeiten wegen der verschiedenen Lockdowns ausgefallen. Und genau diese Hochzeiten werden (hoffentlich in den meisten Fällen) 2022/2023 nachgeholt.

Martin Biebl

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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Corona Hochzeit Quarantäne Hygienekonzept