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Newsletter ESG & Recht November 2021

Liebe Leserinnen und Leser,

wir freuen uns, Ihnen heute unseren Newsletter ESG und Recht "ESG betrifft alle Unternehmen" sowie unsere neue Broschüre "Road to Sustainability – Standards und Normen im Bereich Nachhaltigkeit" zu übersenden.
Wir wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre und stehen Ihnen für Rückfragen jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Team von ADVANT Beiten

ESG betrifft alle Unternehmen

In unserem Newsletter Gesetzgebung und Rechtsprechung treiben Nachhaltigkeit weiter voran von August 2021 hatten wir dargestellt, dass bestehende und künftige Gesetze Unternehmen in zunehmendem Maße dazu verpflichten werden, relevante Nachhaltigkeitsaspekte zu identifizieren und angemessen zu berücksichtigen. Zu derartigen spezifischen gesetzlichen ESG-Befassungspflichten (ESG für Environment, Social, Governance) tritt die Erkenntnis hinzu, dass Nachhaltigkeitsaspekte – hier insbesondere Klimawandel und Klimaschutz – Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle nahezu aller Unternehmen haben. Auch losgelöst von spezifischen gesetzlichen ESG-Befassungspflichten gibt es daher allen Grund, dass sich Unternehmen mit ihren spezifischen Nachhaltigkeitsrisiken befassen und darüber hinaus die Chancen erkennen und ergreifen, die sich für sie im Zusammenhang mit den zu erwartenden Transformationsprozessen ergeben.

Vor dem zu erwartenden neuen Schwung an weiteren ESG-spezifischen Gesetzen und Regulierungsvorhaben möchten wir nachfolgend auf einige aktuelle Erkenntnisse und Entwicklungen aufmerksam machen, die im Ergebnis auf die Feststellung hinauslaufen, dass ESG immer mehr zu einem Thema für alle Unternehmen wird.

1. Menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in der Lieferkette betreffen alle Unternehmen!

Pars pro toto für die einleitend beschriebene Erkenntnis steht das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das den Regelungsadressaten (in Deutschland ansässige Unternehmen, die im Inland mehr als 3.000 bzw. ab 1. Januar 2024 mehr als 1.000 Arbeitnehmer beschäftigen) die Beachtung spezifischer menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten in der Lieferkette vorgibt. Denn über die unmittelbaren Regelungsadressaten des LkSG hinaus werden auch solche Unternehmen mittelbar von dem LkSG betroffen sein, die mit den Regelungsadressaten unmittelbar bzw. mittelbar in Vertragsbeziehungen stehen. Es steht hier zu erwarten, dass die Regelungsadressaten ihre unmittelbaren Zulieferer vertraglich verpflichten werden, ihre menschenrechtlichen und umweltbezogenen Vorgaben der Regelungsadressaten im eigenen Geschäftsbereich einzuhalten und auch gegenüber den weiteren mittelbaren Zulieferern angemessen zu adressieren. Die wichtigsten Punkte zum LkSG haben wir in unserem aktuellen Flyer (deutsch/englisch) zusammengefasst. Für einen "Deep Dive" in das Thema LkSG empfehlen wir allen, die nicht teilnehmen konnten, die frei verfügbare Aufzeichnung unseres zweistündigen Online-Seminars "Lieferkettengesetz – Auswirkungen auf deutsche und chinesische Unternehmen", das wir in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA) am 17. September 2021 veranstaltet haben. Die Auslegung und praktische Anwendung der einzelnen Regelungen des LkSG bleibt abzuwarten. Aktuell arbeiten wir bei ADVANT Beiten mit einem rechtsgebietsübergreifenden Experten-Team
an einem Kommentar zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, der im Sommer 2022 im Verlag C.H. Beck erscheinen wird. Bei Fragen zum LkSG stehen wir Ihnen daher gern mit Rat und Tat zur Seite, und zwar unabhängig davon, ob Ihr Unternehmen zu den Regelungsadressaten des LkSG gehört oder als mittelbar Betroffener mit vertraglichen Vorgaben von Vertragspartnern rechnen muss.

Wie bereits im letzten Newsletter berichtet, kam es bei dem parallelen Lieferketten-Gesetzgebungsvorhaben der EU-Kommission zu einer Verzögerung. Der zunächst für Juni 2021 angekündigte Regelungsvorschlag für ein europäisches Lieferkettengesetz ist nunmehr für Dezember 2021 angekündigt. Der Inhalt des Regelungsvorschlags wird weiterhin mit großer Spannung erwartet. Insbesondere ist offen, an welche Regelungsadressaten sich das europäische Lieferkettengesetz richten soll, inwieweit es neben menschenrechtlichen auch umweltbezogene Sorgfaltspflichten in der Lieferkette enthalten soll und ob die EU-Kommission darüber hinaus tatsächlich auch detaillierte gesellschaftsrechtliche Pflichten zur nachhaltigen Unternehmensführung implementieren will. Wir hatten darüber berichtet, dass die Verbindung der beiden Vorhaben lebhaft diskutiert und von namhaften Stimmen wie Prof. John G. Ruggie deutlich kritisiert wurde.

Unabhängig von den Plänen für verbindliche Sorgfaltspflichten in der Lieferkette hat die EU-Kommission im Juli 2021 zusammen mit dem European External Action Service zum Thema Zwangsarbeit eine Guidance on due diligence for European Union businesses to address the risk of forced labor in their operations and supply chains herausgegeben. Der rechtlich nicht verbindliche Leitfaden, der auf die UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte sowie die OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen Bezug nimmt, soll Unternehmen praktische Ratschläge geben, wie sie mit dem Risiko von Zwangsarbeit in ihrem eigenen Geschäftsbereich und in ihrer Lieferkette umgehen können.

2. Wegweiser durch den ESG-Dschungel: Unsere Broschüre "Road to Sustainability – Standards und Normen im Bereich Nachhaltigkeit"

Alle, die sich schon näher mit dem Thema ESG beschäftigt haben, kennen das: Man sieht sich einer geradezu unüberschaubaren Vielfalt an verbindlichen und (bislang) vor allem unverbindlichen Regelwerken auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene sowie einer fast noch größeren Anzahl an aktuellen Regelungsvorhaben gegenüber. Tatsächlich ist die Lage derart unübersichtlich, dass einem bei näherer Befassung mit dem Thema Nachhaltigkeit und Recht sogar droht, sich in dem Dschungel aus Regelwerken zunächst einmal regelrecht zu verirren.

Um den Einstieg in das Thema ESG zu erleichtern und zugleich einen umfassenden Überblick zu geben, haben wir in der hier abrufbaren Broschüre "Road to Sustainability – Standards und Normen im Bereich Nachhaltigkeit" besonders relevante Standards und Normen sowie in Diskussion befindliche Regulierungsvorhaben im Bereich Nachhaltigkeit übersichtlich zusammengestellt. Für jede der drei genannten Ebenen (International – EU – National) beschreiben wir den übergeordneten Rahmen sowie die für Unternehmen relevanten Standards und Normen zu den Themenbereichen verantwortungsvolle Unternehmensführung, Nachhaltigkeitsberichterstattung, Sustainable Finance und pars pro toto Klimaschutz.

3. ESG-Stakeholder im Überblick: Jedes Unternehmen sollte vorbereitet sein!

Für jede der drei Dimensionen von ESG lassen sich eine Reihe von ESG Stakeholdern definieren, die mit Anforderungen und Erwartungen an die Unternehmen herantreten können. Dabei handelt es sich um die folgenden sechs Gruppen: Investoren, Banken und Versicherer, Vertragspartner in der Lieferkette, Endkunden, Gesetzgeber und Betroffene/Geschädigte/Nichtregierungsorganisationen. Innerhalb dieser sechs Gruppen gibt es wiederum verschiedene Player, die Erwartungen und Vorgaben in Bezug auf ESG formulieren bzw. formulieren können. Nicht für jedes Unternehmen werden alle diese ESG-Stakeholder in gleichem Maße relevant sein. Aber es liegt auf der Hand, dass jedes Unternehmen zumindest mit einzelnen von ihnen im Hinblick auf ESG in Kontakt gerät bzw. geraten kann. Um bestmöglich darauf vorbereitet zu sein, empfiehlt sich – auch losgelöst von rechtlichen Vorgaben – eine strukturierte Auseinandersetzung mit den für das jeweilige Unternehmen relevanten Nachhaltigkeitsthemen. Für die rechtliche Dimension, d.h. die allgemeinen Rechte und Pflichten der Geschäftsleitung und ggf. des Aufsichtsrats verweisen wir gern nochmals auf den Beitrag von Daniel Walden in der NZG 2020, S. 50 ff.

a) Investoren

Die (aktuellen wie potentiellen) Gesellschafter eines Unternehmens werden im Einzelfall unterschiedliche Erwartungen an den Umgang des Unternehmens mit Nachhaltigkeitsaspekten haben. Als Treiber in Sachen Nachhaltigkeit kristallisieren sich zum einen die Vermögensverwalter heraus. Pars pro toto haben wir in unseren zurückliegenden Newslettern die ESG-Sicht von Larry Fink, dem CEO von Blackrock dargestellt. Aber auch Proxy Advisors stellen in zunehmenden Maße ESG-Anforderungen an börsennotierte Unternehmen. ESG-Ratingagenturen schaffen u.a. auf Basis der finanziellen und nichtfinanziellen Berichterstattung (s. dazu auch unten Ziff. 5), aber auch im Auftrag und/oder auf Basis weiterreichender Informationen der Emittenten, mehr Transparenz für Anleger, die bei ihren Investments (auch) auf Nachhaltigkeitskriterien achten wollen. Im Jahr 2020 verzeichneten europäische ESG-Fonds/ETFs Nettomittelzuflüsse in Höhe von 233 Milliarden Euro – fast doppelt so viel wie im Jahr 2019. Schließlich ist mit einer Zunahme von Shareholder Activism im Bereich Nachhaltigkeit zu rechnen. Aktuelle Beispiele dazu
finden sich sowohl international als auch national:

  • So hat der Hedgefonds Engine No. 1 in den USA die Unternehmensstrategie von Exxon Mobil kritisiert und zu mehr Klimaschutz aufgefordert. Im Ergebnis gelang es Engine No. 1, dass drei von Engine No. 1 vorgeschlagene Kandidaten in den Verwaltungsrat von Exxon Mobil gewählt wurden. Unterstützt wurden die Vorschläge von Engine No. 1 von Vermögensverwaltern (darunter auch Blackrock) und namhaften Proxy Advisors (vgl. Manager-Magazin vom 7. Juli 2021 "Wie Hedgefonds Freibeuter den Ölriesen Exxon kaperten".
  • In Deutschland hat der Investor Enkraft Capital den Energiekonzern RWE jüngst zu einem schnelleren Braunkohleausstieg und einer Abtrennung des Braunkohlegeschäfts aufgefordert. RWE verteidigt seine Strategie (vgl. FAZ vom 18. Oktober 2021: "RWE-Aktionär fordert schnelleren Braunkohle-Ausstieg"). Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

Aber auch bei nicht-börsennotierten Unternehmen steigen die Erwartungen der Gesellschafter und potentieller neuer Investoren. Denn gerade im M&A-Bereich steigt das Bewusstsein für Nachhaltigkeitsaspekte deutlich an. Dem dürfte – ähnlich wie bei börsennotierten Unternehmen – die Annahme zugrunde liegen, dass sich eine verantwortungsvolle Unternehmensführung positiv auf den Unternehmenswert auswirkt. Beim 19. Deutschen Corporate M&A Kongress berichten Angelika Kapfer, André Depping und Daniel Walden über das Thema "Fit for Future: Einbeziehung von ESG-Aspekten in M&A Transaktionen" sowie Christoph Schmitt über das nicht minder relevante Thema "Green Finance".

b) Banken und Versicherer

Banken und Versicherer sowie sonstige Fremdkapitalgeber achten bei ihren Kunden ebenfalls vermehrt auf Nachhaltigkeitsaspekte. Die Motivation dazu ist teilweise ähnlich gelagert wie bei den Investoren. Ein wesentlicher weiterer Treiber in diesem Bereich sind aber auch die Aufsichtsbehörden, die die von ihnen beaufsichtigten Unternehmen seit einiger Zeit zur angemessenen Berücksichtigung insbesondere von Nachhaltigkeitsrisiken anhalten. Die diesbezüglichen Leitlinien von BaFin, EZB und EIOPA sind in Ziff. 5 unserer Broschüre "Road to Sustainability – Standards und Normen im Bereich Nachhaltigkeit" in aller Kürze zusammengefasst. In den Aufsichtsschwerpunkten für 2021 hatte die BaFin bereits angekündigt, dass die Versicherungsaufsicht die Anforderungen des BaFin-Merkblatts zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken "2021 in die aufsichtliche Praxis überführen" wird. Auch die Bankenaufsicht werde dafür "werben, Nachhaltigkeitsrisiken stärker zu berücksichtigen – unter anderem im Kreditrisikomanagement". Zuletzt wurde einerseits berichtet, dass die BaFin möglicherweise auch für das Geschäftsjahr 2021 noch keine Auseinandersetzung und Berichterstattung der Abschlussprüfer verlangen werde, wie die von der BaFin beaufsichtigten Unternehmen mit Nachhaltigkeitsrisiken umgehen (vgl. Handelsblatt vom 20. September 2021: "Kleinere Banken und Versicherer erhalten Aufschub bei Prüfung von Klimarisiken"). Gleichwohl will jedenfalls die Versicherungsaufsicht bereits im Jahr 2022 deutlich mehr Informationen zum Umgang mit Klimarisiken. Laut BaFin-Exekutivdirektor Felix Grund wird erwartet, dass "im nächsten Jahr alle ORSA-Berichte [Own Risk and Solvency Assessment] Aussagen zu den Auswirkungen des Klimawandels enthalten". Die vermehrte Befassung mit Nachhaltigkeitsrisiken wird ihrerseits nicht ohne Auswirkungen auf die sog. Realwirtschaft bleiben.

Schließlich führt auch die Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (Sustainable Finance Disclosure Regulation, kurz: SFDR oder Offenlegungs-VO) zu einer vermehrten Befassung von Finanzmarktteilnehmern und Finanzberatern im Hinblick auf Nachhaltigkeitsrisiken und nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen, was sich ebenfalls auch auf die Realwirtschaft auswirkt (vgl. dazu Ziff. 3.4 unserer ESG-Broschüre).

c) Vertragspartner in der Lieferkette

In stark zunehmendem Maße werden Unternehmen im B2B-Bereich mit Nachhaltigkeitserwartungen ihrer unmittelbaren Vertragspartner konfrontiert. Das LkSG (s.o.) wird diese Entwicklung weiter beschleunigen, ist aber nicht der einzige Anlass dafür. Neben den neuen gesetzgeberischen Vorgaben tragen auch die Erwartungen der übrigen ESG-Stakeholder zu dieser Entwicklung bei. Ebenfalls zu beobachten ist natürlich, dass sich Unternehmen aus eigenem (finanziellen und/oder moralischen) Antrieb um Nachhaltigkeit in der Lieferkette bemühen. Als weitere Player sind im Bereich der Lieferkette zudem Audit-Unternehmen zu nennen, die Unternehmen insbesondere mit Blick auf Menschenrechts und Umweltrisiken prüfen und ihre Ergebnisse Vertragspartnern dieser Unternehmen zur Verfügung stellen.

d) Endkunden

Nachhaltigkeitsbezogene Erwartungen der Endkunden bzw. Verbraucher bzw. der Öffentlichkeit im Allgemeinen beeinflussen immer mehr die ESG-Sicht der Unternehmen und ihrer Lieferanten. In einzelnen Branchen sind ESG-Erwartungen der Verbraucher bereits sehr ausgeprägt, andere werden nachziehen. Auch die Unternehmensreputation bildet sich zu einem wesentlichen Teil im Verhältnis des Unternehmens zur Allgemeinheit aus. Nicht ESG-konforme Verhaltensweisen drohen in zunehmendem Maße Reputationsschäden herbeizuführen. Schließlich kann gerade auch ein sich änderndes Konsumverhalten der Verbraucher erheblichen Druck auf die Unternehmen und damit auch auf ihre Zulieferer erzeugen.

e) Gesetzgeber

Als weiterer Treiber in Sachen Nachhaltigkeit kommen regulatorische Eingriffe des Gesetzgebers in Betracht. Für deutsche Unternehmen sind dabei natürlich in erster Linie die Vorgaben des deutschen und europäischen Gesetzgebers relevant. Welche konkreten Vorgaben bereits bestehen und welche weiteren Vorgaben bereits geplant sind, haben wir in unserer o.g. Broschüre zusammengefasst.
Darüber hinaus spielen natürlich auch Vorgaben der jeweiligen Gesetzgeber in anderen Ländern eine Rolle, in denen deutsche Unternehmen bzw. ihre Vertragspartner tätig sind.

f) Betroffene, Geschädigte und Nichtregierungsorganisationen

Potentielle Opfer von Menschenrechtsverletzungen und/oder Umweltbeeinträchtigungen versuchen in zunehmendem Maße und oft mit der Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), nicht nur beim unmittelbaren Verursacher, sondern auch bei seiner Muttergesellschaft und/oder seinen Vertragspartner Ersatz für die ihnen bereits entstandenen Schäden zu erlangen bzw. zu verhindern, dass es künftig zu Schäden kommt. Auf einige Fälle dieser sog. ESG-Litigation, die sich aktuell insbesondere in die Climate Change Litigation und die Human Rights Litigation aufgliedern lässt, sind wir bereits in unseren zurückliegenden Newslettern eingegangen. Neu hinzugekommen sind die von Mitgliedern der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen BMW und Mercedes-Benz und jüngst auch von Mitgliedern von Greenpeace gegen VW eingereichten Klagen auf Minderung der CO2 - Emissionen, die durch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren erzeugt werden. Insbesondere möchten die Kläger auf diesem Weg erreichen, dass die beklagten Autobauer ab dem Jahr 2030 keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr herstellen. Die Kläger berufen sich u.a. auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz sowie eine (nicht rechtskräftige) Entscheidung des Bezirksgerichts Den Haag gegen Royal Dutch Shell. Über beide Entscheidungen berichteten wir in unserem eingangs referenzierten Newsletter ESG und Recht von August 2021. Auf den entsprechenden Internetseiten von DUH und Greenpeace finden sich weitere Informationen zu den Verfahren einschließlich der jeweils bei Gericht eingereichten Klageschriften.

Es ist zu erwarten, dass NGOs auch das neue LkSG nutzen werden, um Druck auf Unternehmen auszuüben. Zum einen ist im LkSG nun ausdrücklich die Möglichkeit einer Prozessstandschaft für Betroffene durch Gewerkschaften und NGOs vorgesehen. Zum anderen sind Unternehmen nach dem LkSG gehalten, Maßnahmen zu ergreifen, wenn ihnen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine Verletzung von menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Pflichten bei mittelbaren Zulieferern möglich erscheinen lassen. NGOs werden solche tatsächlichen Anhaltspunkte daher in verstärktem Maße ermitteln und an Unternehmen herantragen.

Auch international lässt sich ein deutlicher Anstieg von ESG-Litigation verzeichnen. Juristisch wird dabei häufig Neuland betreten. Präzedenzentscheidungen sind rar gesät. Abgesehen von dem mit der Verteidigung gegen derartige Klagen verbundenen finanziellen und personellen Aufwand sowie möglichen negativen Auswirkungen auf die Unternehmensreputation lassen sich auch materielle Haftungsrisiken häufig nicht von vornherein sicher ausschließen. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund erweist es sich als vorteilhaft, wenn Unternehmen sich proaktiv mit der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in ihrer Geschäftsstrategie befassen und diese auf angemessene Weise integrieren.

4. Nachhaltigkeitsberichterstattung

Ein wesentlicher Aspekt für zahlreiche der vorgenannten ESG-Stakeholder ist die bislang sog. nichtfinanzielle Berichterstattung, die mehr Transparenz in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte schaffen soll. Über die beabsichtigte Fortentwicklung hin zu einer umfassenden Nachhaltigkeitsberichterstattung und die damit möglicherweise verbundene erhebliche Ausweitung des Kreises der berichtspflichtigen Unternehmen hatten wir bereits in unserem Blog-Beitrag zum "EU -Klimagesetz und zum EU - Maßnahmenpaket für ein nachhaltiges Finanzwesen" von Ende April berichtet.

Jüngst wurde zudem bekannt, dass Frankfurt Sitz des Verwaltungsrats des International Sustainability Standards Board (ISSB) wird. Bei dem ISSB handelt es sich um ein neues Gremium unter dem Dach der International Financial Reporting Standards (IFRS) Foundation. Das ISSB soll die Nachhaltigkeitsberichterstattung global standardisieren und seine Arbeit Anfang 2022 aufnehmen. Der Vorsitzende der IFRS Foundation erklärte dazu: "Kapitalmärkte können einen wesentlichen Beitrag leisten, um Net Zero zu erreichen. Aber nur, wenn Nachhaltigkeitsdaten mit derselben Genauigkeit, Qualitätsüberprüfung und globalen Vergleichbarkeit wie Finanzkennziffern erstellt werden." (vgl. Börsenzeitung vom 3. November 2021: "Frankfurt setzt sich im Rennen um ISSB durch").

Dr. André Depping
Dr. Daniel Walden

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