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Erneute Bestätigung durch OLG Düsseldorf - kein D&O-Versicherungsschutz für insolvenzrechtswidrig geleistete Zahlungen nach § 64 GmbHG

– OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. Juni 2020, 4 U 134/18 –

Es ist mittlerweile ein alter Hut, dass nach der Rechtsprechung einiger Landes- und Oberlandesgerichte eine D&O-Versicherung in der Regel keinen Versicherungsschutz des Geschäftsführers gegen Inanspruchnahmen wegen insolvenzrechtswidrig geleisteter Zahlungen der Gesellschaft gemäß § 64 GmbHG umfassen soll (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 01.04.2016 – 8 W 20/16; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.07.2018 – 4 U 93/1; OLG München, Beschluss vom 04.03.2019 - 25 U 3606/17; LG Koblenz, Urt. v. 17.01.2020 - Az. 4 HK O 4/19). Auch die heftige Kritik an der vorgenannten Rechtsprechung dürfte mittlerweile jedem bekannt sein. Sehen Sie hierzu auch unsere bisherigen Blogbeiträge (Beitrag vom 10.12.2019 „Bestätigung durch OLG München - kein D&O-Versicherungsschutz für insolvenzrechtswidrig geleistete Zahlungen nach § 64 GmbHG“; Beitrag vom 24.07.2018 „Kein D&O-Versicherungsschutz für insolvenzrechtswidrig geleistete Zahlungen nach § 64 GmbHG“).

Neu hingegen ist, dass das OLG Düsseldorf seine umstrittene Rechtsprechung mit Urteil vom 26. Juni 2020 (Az. 4 U 134/18) nun noch einmal mit bemerkenswerter Begründung bestätigt hat.

Heftige Kritik an der bisherigen OLG-Rechtsprechung durch Literatur und Beratungspraxis

In der Praxis und der Literatur haben vor allem die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Celle und des Oberlandesgerichts Düsseldorf heftige Kritik erfahren.

Für Geschäftsführer ist nur schwer vermittelbar, dass einer der häufigsten Haftungsfälle aus rechtsdogmatischen Erwägungen nicht versichert sein soll. Die herrschende Meinung in der Literatur stellt sich daher mit zahlreichen Argumenten gegen die vorgenannte Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Celle und Düsseldorf. Im Ergebnis vertritt die herrschende Meinung dabei die Auffassung, dass § 64 GmbHG unter einer D&O-Versicherung sowohl nach Sinn und Zweck der Versicherung als auch bei Auslegung der Versicherungsbedingungen durch einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne D&O-Spezialkenntnisse versichert sein muss.

Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 26. Juni 2020

In seinem Urteil vom 26. Juni 2020 (Az. 4 U 134/18) nimmt das OLG Düsseldorf auf seine umstrittene Entscheidung vom 20. Juli 2018 (Az. 4 U 93/16) Bezug und stellt dort klar, dass es – trotz der Kritik an dieser Entscheidung – weiterhin an seiner Rechtsauffassung festhält, wonach Ansprüche nach § 64 GmbHG regelmäßig nicht vom D&O-Versicherungsschutz umfasst werden.

Das OLG Düsseldorf stellt in seiner Entscheidung unter Bezugnahme auf das Urteil vom 20. Juli 2018 (Az. 4 U 93/16) zunächst klar, dass ein etwaiger Zahlungsanspruch aus § 64 S. 1 GmbHG kein vom Versicherungsvertrag umfasster Schadensersatzanspruch aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen ist.

Das OLG Düsseldorf gelangte im zu entscheidenden Fall zu der Auffassung, dass im Versicherungsvertrag nicht ausdrücklich geregelt sei, dass der D&O-Versicherer auch für eine Inanspruchnahme des Geschäftsführers ihrer Versicherungsnehmerin nach § 64 GmbHG einstehen wolle. Das OLG Düsseldorf betonte in diesem Zusammenhang, dass insbesondere keine sogenannte „All-Risk-Versicherung“ vereinbart worden sei.

Nach den zu entscheidenden Versicherungsbedingungen war Versicherungsschutz gemäß § 1 Nr. 1.2 AVB-O allein für den Fall, dass versicherte Personen wegen einer Pflichtverletzung bei Ausübung der versicherten Tätigkeit aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden haftpflichtig gemacht werden, vereinbart. Dabei umfasste der Versicherungsschutz nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und die Freistellung der versicherten Personen von berechtigten Schadenersatzverpflichtungen, § 3 Nr. 1 AVB-O.

Nach Auffassung des OLG Düsseldorf handelt es sich bei dem gesetzlichen Haftpflichtanspruch gemäß § 64 GmbHG nicht um einen solchen Schadensersatzanspruch, aufgrund dessen die versicherte Person für einen Vermögensschaden haftpflichtig ist, und der deshalb unter einen derartigen D&O-Versicherungsschutz für Schadenersatz fällt (unter Bezugnahme auf das Urteil vom 20. Juli 2018, Az. 4 U 93/16 und unter Hinweis auf OLG Celle, Beschuss vom 1. April 2016, Az. 8 W 20/16).

Eine Auslegung der Versicherungsbedingungen dahingehend, dass der dort genannte Schadensersatzanspruch auch den Ersatzanspruch nach § 64 GmbHG erfasst, komme nach Auffassung des OLG Düsseldorf nicht in Betracht. Das OLG Düsseldorf verwies in diesem Zusammenhang erneut auf die Rechtsprechung des BGH, wonach ein Anspruch aus § 64 GmbHG dogmatisch als Ersatzanspruch eigener Art und nicht als Schadensersatzanspruch zu qualifizieren ist (zuletzt BGH, Urteil vom 19. November 2019, Az. II ZR 233/18). Diese Einordnung sei laut dem OLG Düsseldorf für die Auslegung der Versicherungsbedingungen zwar von Bedeutung, aber nicht entscheidend. Denn allgemeine Versicherungsbedingungen seien nach ständiger Rechtsprechung des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Es komme dabei auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und auf seine Interessen, im Falle einer Versicherung für fremde Rechnung im Sinne der §§ 43 ff. VVG daneben aber auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an (mit Verweis auf BGH, Urteil vom 16. Juli 2014, Az. IV ZR 88/13).

Nach Auffassung des OLG Düsseldorf soll jedoch gerade für eben diesen Personenkreis die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin und den Geschäftsführer als versicherte Person bei aufmerksamem und verständigem Studium der Versicherungsbedingungen erkennbar sein, dass nicht in jedem Fall der Inanspruchnahme Versicherungsschutz besteht und § 64 GmbHG keinen Schadensersatzanspruch bzw. keine Schadenersatzverpflichtung im Sinne von § 3 Nr. 1 AVB-O begründet. Das OLG Düsseldorf stellte in diesem Zusammenhang ausdrücklich klar, dass es an seiner dahingehenden Sichtweise, wie bereits mit Urteil vom 20. Juli 2018 (Az. 4 U 93/16) dargelegt, weiterhin festhalte.

Das OLG Düsseldorf führt hierzu ergänzend aus, dass nach seinem Wortlaut nach § 64 S. 1 GmbHG den Geschäftsführer zum Ersatz von Zahlungen, die er nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet hat, verpflichtet. Vom Ersatz eines Schadens sei in § 64 S. 1 GmbHG hingegen nicht die Rede. § 64 S. 1 GmbHG sei auch nicht auf den Ersatz eines Schadens gerichtet. Der Gesellschaft entstehe nach dem üblichen Schadensbegriff im Sinne der Differenzhypothese durch die Zahlungen kein Schaden, weil der Zahlung regelmäßig das Erlöschen einer dadurch getilgten Gesellschaftsverbindlichkeit gegenübersteht (unter Verweis auf BGH, Hinweisbeschluss vom 5. Februar 2007, Az. II ZR 51/06, NJW-RR 2007, 1490, 1491). Auch kompensiere die Zahlung, zu der der Geschäftsführer nach § 64 S. 1 GmbHG verpflichtet ist, keinen Schaden der Gläubigergemeinschaft. Insbesondere ziele § 64 S. 1 GmbHG nicht auf den Ersatz des Quotenschadens, wie er durch die Alternative des durch Versäumung der Insolvenzantragspflicht entstandenen Schadens in § 130a Abs. 2 S. 1 HGB erfasst wird (unter Verweis auf BGH, Hinweisbeschluss vom 5. Februar 2007, Az. II ZR 51/06, NJW-RR 2007, 1490, 1491). Die Ersatzpflicht nach § 64 S. 1 GmbHG ziele vielmehr auf die Erstattung der verbotswidrig geleisteten Zahlungen ohne Abzug der fiktiven Insolvenzquote des befriedigten Gesellschaftsgläubigers. § 64 S. 1 GmbHG solle ungeachtet eines tatsächlichen Quotenschadens der mit jeder Zahlung nach Eintritt der Insolvenzreife einhergehenden Verringerung der Chance der übrigen Gläubiger entgegenwirken, eine Befriedigung aus der Masse zu erhalten. Der Sinn und Zweck der Vorschrift sei einem Schadenersatz vorgelagert und damit von diesem verschieden. Wenn aber § 64 S. 1 VVG weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Zweck der Kompensation eines Schadens, sondern allein der Rückführung von Zahlungen diene, so sei für die Annahme eines Schadensersatzanspruches im Sinne von §§ § 1 Nr. 1.2, 3 Nr. 1 AVB-O nach Auffassung des OLG Düsseldorf kein Raum.

Nach Auffassung des OLG Düsseldorf seien die Unterschiede zwischen einem Schadensersatzanspruch und dem Anspruch gemäß § 64 S. 1 GmbHG nicht nur für eine versicherungsnehmende GmbH, sondern auch für die in ihrem Namen die D&O-Versicherung abschließenden Personen ersichtlich, wenn sie denn die Haftung des Geschäftsführers aus § 64 GmbHG in den Blick nehmen, wovon bei einer Klausel-Auslegung auszugehen sei. Nach Meinung des OLG Düsseldorf müsse § 64 GmbHG einem Geschäftsführer ebenso wie § 43 GmbHG vor Augen stehen, wenn er sich Gedanken über seine Haftung und in diesem Zusammenhang über deren versicherungsvertragliche Absicherung macht. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf würde der Geschäftsführer dann unschwer auch ohne besondere Versicherungsrechtskenntnisse erkennen, dass sich seine Haftung aus § 64 GmbHG grundlegend vom Ersatz eines Vermögensschadens unterscheidet. Er würde erkennen, dass er schon auf Erstattung von Zahlungen nach Insolvenzreife haftet, ohne dass notwendig feststeht, dass der GmbH oder den Insolvenzgläubigern tatsächlich ein Schaden entstanden ist, nämlich wenn die Zahlungen Verbindlichkeiten der GmbH getilgt haben und die Insolvenzausfallquote der Gläubiger noch gar nicht feststeht, etwa weil noch nicht feststeht, in welchem Umfang vom Insolvenzverwalter Forderungen der Schuldnerin noch realisiert und vorhandenes Vermögen noch verwertet und zur Masse gezogen werden kann. Andererseits würde er erkennen, dass er im Insolvenzfall Versicherungsschutz in dem Fall hat, dass er auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 15 a InsO in Anspruch genommen wird.

Fazit und Ausblick

Das OLG Düsseldorf vertritt weiterhin die Auffassung, dass Ansprüche nach § 64 GmbHG nicht dem D&O-Versicherungsschutz unterliegen. Das OLG Düsseldorf begründet seine Auffassung dabei weiterhin damit, dass es sich bei einem Anspruch nach § 64 GmbHG nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes um einen Anspruch „eigener Art“ bzw. einen Anspruch „sui generis“ handele und nach den jeweils zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen jedoch nur Schadensersatzansprüche versichert seien. Über diesen Umstand könne auch eine Auslegung der Versicherungsbedingungen nicht hinweghelfen, da die Unterschiede zwischen einem Schadensersatzanspruch und einem Anspruch gemäß § 64 S. 1 GmbHG – so jedenfalls die Auffassung des OLG Düsseldorf – für einen Geschäftsführer ersichtlich seien; es bestehe insoweit kein Raum für eine Interpretation der Versicherungsbedingungen.

Ob für Haftungsfälle nach § 64 GmbHG nun D&O-Versicherungsschutz besteht oder nicht, dürfte auch trotz des Urteils des OLG Düsseldorf vom 26. Juni 2020 (4 U 134/18) bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung durch den Bundesgerichtshof weiterhin umstritten bleiben. Gerade die (sehr theoretische) Auffassung des OLG Düsseldorf, für Geschäftsführer seien die Unterschiede eines Schadensersatzanspruches und eines Anspruches nach § 64 GmbHG ersichtlich, dürfte erneut heftige Kritik erfahren. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Geschäftsführer mangels eigener Expertise meist keine eigene – versicherungsrechtliche – Prüfung der häufig sehr umfangreichen Versicherungsbedingungen vornehmen, sondern sich insoweit auf Versicherungsmakler verlassen. Dabei dürfte auch zu berücksichtigen sein, dass diese Thematik bis zur Entscheidung des OLG Celle im Jahre 2016 wenig Beachtung fand und aktuelle Streitfälle Versicherungspolicen betreffen, die meist vor 2016 abgeschlossen wurden.

D&O-Versicherer dürfte es im Hinblick auf die Regulierung von aktuellen Schadensfällen allerdings zunächst freuen, dass das OLG Düsseldorf seine bisherige Rechtsprechung bestätigt hat, wonach für insolvenzrechtswidrig geleistete Zahlungen nach § 64 GmbHG kein D&O-Versicherungsschutz bestehen soll.

Insolvenzverwalter und von diesen in Anspruch genommene versicherte Personen werden hingegen bis zu einer Klärung durch den BGH weiterhin mit der Ungewissheit leben müssen, ob der Haftungsfall durch entsprechende Versicherungsleistungen gedeckt ist. Im Falle laufender Verfahren ist dies für beide Seiten, also sowohl für den Insolvenzverwalter als auch für den in Anspruch genommenen Geschäftsführer, meist eine äußerst prekäre Situation, die unter Umständen auch eine eigene Haftung des Insolvenzverwalters begründen kann.

Aufgrund der vorgenannten Rechtsprechung ist (insbesondere auch bei Abschluss und Erneuerung von D&O-Policen) weiterhin darauf zu achten, ob der D&O-Versicherungsschutz nach den Versicherungsbedingungen auch etwaige Inanspruchnahmen nach § 64 GmbHG umfasst.

Dr. Florian Weichselgärtner

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