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Drastische Erinnerung an Rückforderungsrisiko bei Vergaberechts-verstößen von Fördermittelempfängern

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg (Beschluss vom 23. März 2021, Az. 1 L 47/19) erinnert alle Fördermittelempfänger an die Risiken einer auflagenwidrigen Mittelverwendung. Eine sorgfältige Beachtung der Auflagen des Zuwendungsbescheids – insbesondere hinsichtlich der Anwendung vergaberechtlicher Vorschriften – ist geboten, um spätere Rückforderungen der Fördermittel zu vermeiden.

Der Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb durch fördermittelfinanzierte Bauleistungen nach der VOB/A 2009 im Unterschwellenbereich aus. Nach dem Zuwendungsbescheid war die VOB/A in der maßgeblichen Fassung von 2009 zu beachten. Die öffentliche Auftragsbekanntmachung des Auftraggebers enthielt den Hinweis „Nachweis zur Eignung des Bieters: siehe Verdingungsunterlagen“. Nach den Vergabeunterlagen war die Eigenerklärung „gemäß Formblatt 124“ gefordert. Eine Angebotsbindefrist war nicht eindeutig vorgesehen. Der Fördermittelgeber sah hierin zwei schwere Vergaberechtsverstöße und erließ einen Rückforderungsbescheid über 25 Prozent der Fördermittel.

Die Entscheidung

Das OVG bestätigt – wie schon das Verwaltungsgericht Halle in erster Instanz – die Rückforderungsentscheidung des Fördermittelgebers.

Zunächst verstößt die fehlende Benennung der Eignungskriterien in der Bekanntmachung gegen die Auflage im Zuwendungsbescheid, die VOB/A in der maßgeblichen Fassung von 2009 anzuwenden. Die Auflage im Zuwendungsbescheid und die für die Finanzierung aus EFRE-Mitteln maßgeblichen Vorschriften der EU verlangten, dass die Vergabeunterlagen nicht nur im Einklang mit den gemeinschaftlichen, sondern auch mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften stehen, zu denen für Unterschwellenvergaben Abschnitt 1 der VOB/A gehört. Das Gericht sieht vorliegend § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. u) VOB/A 2009 verletzt, wonach die für die Beurteilung der Eignung der Bewerber verlangten Nachweise bekannt zu machen sind. Aus der hier gewählten Formulierung „Nachweis zur Eignung des Bieters: siehe Verdingungsunterlagen“ werde deutlich, dass Eignungsanforderungen bestehen, die nachgewiesen werden müssen. Der Inhalt dieser Eignungskriterien und die Art des Nachweises ergeben sich aber nicht direkt aus den Vergabeunterlagen. Auch ein eindeutiger Schluss auf das auszufüllende Formblatt 124 lässt sich aus der gewählten Formulierung nicht ziehen. Denn Eigenerklärungen der Bieter für einzelne oder sämtliche Eignungskriterien stehen nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 S. 3 VOB/A 2009 im Ermessen des Auftraggebers. Aus der VOB/A 2009 ergibt sich zudem nicht, dass stets und noch dazu ausschließlich das Formblatt 124 als Eignungserklärung zu erbringen ist. Sinn und Zweck von § 12 Abs. 1 Nr. 2 u) VOB/A 2009 ist aber, dass Unternehmen ohne Weiteres erkennen können, ob sie als geeigneter Wettbewerbsteilnehmer in Betracht kommen oder ob sie sich eine Auseinandersetzung mit den Vergabeunterlagen von vornherein sparen können. Dem entspricht die hier gewählte Vorgehensweise nicht. Das Gericht erkannte auch keinen atypischen Fall in Bezug auf die Soll-Vorschrift des § 12 Abs. 1 Nr. 2 u) VOB/A 2009, bei dem ausnahmsweise auf die Bekanntmachung der Eignungskriterien hätte verzichtet werden können. Der Argumentation des Auftraggebers, eine solche Atypizität ergebe sich daraus, dass nur die Vorlage des regelmäßig geforderten Formblatts 124 und keine darüberhinausgehenden Eignungskriterien gefordert waren, folgte das Gericht nicht.

Zum anderen verstößt das Fehlen einer eindeutig erkennbaren Angebotsbindefrist gegen die Auflage. Es reicht nicht aus, dass eine Bindefrist womöglich aus den Vergabeunterlagen herleitbar ist. § 10 Abs. 6 S. 3 VOB/A 2009 bestimmt ausdrücklich, dass das Ende der Zuschlagsfrist durch Angabe des Kalendertags zu bezeichnen ist. Zudem ist die Bindungswirkung der Zuschlagsfrist nicht nur für die Kalkulation und die Disposition der Bieter und für deren Beurteilung, in welchem Zeitraum die eingeplanten personellen und sachlichen Ressourcen nicht für einen anderen Auftrag zur Verfügung stehen, sondern auch in rechtlicher Hinsicht für die Annahme des Vertragsangebots im Sinne der §§ 147 ff. BGB durch den Auftraggeber von Bedeutung.

Bewertung und Praxistipp

Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig es ist, bei Erhalt von Fördermitteln die Vorgaben des Zuwendungsbescheids und die oft daraus folgende Bindung an vergaberechtliche Vorschriften genau zu prüfen und rechtssicher im Einklang mit den Auflagen vorzugehen. Verstöße gegen anzuwendendes Vergaberecht können auch noch Jahre nach Erhalt der Fördermittel zu Rückforderungen in beträchtlicher Höhe führen, da Verwendungsprüfungen oft erst mit beträchtlichem zeitlichem Abstand durchgeführt werden. Im vorliegenden Fall lagen zwei eher formale Vergaberechtsverstöße vor. Allein diese berechtigten nach Ansicht des Gerichts zu einer erheblichen Rückforderung, obwohl sie vermutlich nicht zu einer überteuerten Mittelverwendung oder einem abgeschwächten Wettbewerb um den Auftrag führen konnten. Fördermittelempfänger sind gut beraten, die vergaberechtlichen Vorgaben sowie die sich dynamisch entwickelnde Rechtsprechung der Vergabekammern und Vergabesenate sorgfältig zu prüfen und zu beachten. Die besonders genaue Vorarbeit zahlt sich langfristig aus, weil sie der Gefahr späterer Rückforderungen vorbeugt.

Jan Christian Eggers

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Vergaberecht Vergaberechtsverstöße Fördermittelempfänger OVG Magdeburg Beschl. v. 23. März 2021 AZ. 1 L 47/19