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Managerhaftung: Wirksamkeit von Serienschadenklauseln in der D&O Versicherung

Serienschadensklauseln spielen in der Regulierungspraxis von D&O-Versicherungsfällen eine sehr bedeutsame Rolle. Die Wirksamkeit der marktüblichen Klauseln ist indes weitgehend ungeklärt.

Die Serienschadensklausel gehört zu den Standardklauseln zahlreicher Haftpflichtversicherungsverträge und ist in (nahezu) jeder D&O-Police enthalten. Sie bezweckt die Verklammerung einer gesamten Schadensserie zu einem einzigen Versicherungsfall, ungeachtet der Frage, wann der jeweilige Schaden eintritt und dem Versicherer gemeldet wird. Dadurch wird sowohl das Vorliegen eines einzigen Versicherungsfalles als auch das Vorliegen eines einzigen Eintrittszeitpunktes fingiert. Diese doppelte Fiktion der Serienschadenklausel kann – sofern vereinbart – Auswirkungen auf den Selbstbehalt, die Versicherungssumme sowie die einschlägige Versicherungsperiode haben.

So führt die Serienschadenklausel regelmäßig dazu, dass bei mehreren Schäden nur einmal der Selbstbehalt für den Versicherten anfällt. Sie kann allerdings auch dazu führen, dass die vereinbarte Versicherungssumme aufgrund der Zuordnung zu einer einzigen Versicherungs-periode nur einmalig zur Verfügung steht. Die Serienschadenklausel kann somit für den Versicherten sowohl vorteilhaft, aber auch nachteilig sein. In der Regel profitieren aber vor allem die Versicherer davon, nach einmaligem Verbrauch der Versicherungssumme ihre Leistung verweigern zu können.

Weil sie also vornehmlich zu einer Begrenzung der Deckungspflichten von Versicherern führen, werden Serienschadensklauseln von Gerichten und Literatur kritisch betrachtet. Der BGH hat in der Vergangenheit Klauseln für unwirksam erklärt, die alle auf einer "gemeinsamen Fehlerquelle" beruhenden Schadensfälle zusammenführte. Der Verzicht auf jede zeitliche und vor allem sachliche Verknüpfung könne unangemessene Ergebnisse hervorbringen, so der BGH. Seitdem ist in den meisten am Markt erhältlichen Policen ein solcher sachlicher und zeitlicher – teilweise auch rechtlicher – Zusammenhang Voraussetzung für die Verklammerung der Versicherungsfälle. Ob die so ergänzten Serienschadensklauseln nunmehr einer AGB-Prüfung standhalten, ist indes weiterhin streitig.

Das OLG Frankfurt a. M. entschied unlängst (Urt. v. 17.03.2021 – 7 U 33/19), dass die Klausel zur Verklammerung von Versicherungsfällen, die auf "demselben Sachverhalt" beruhen, intransparent und deshalb unwirksam sei. Transparenter werde die Klausel nach Ansicht des OLG Frankfurt a. M. nicht dadurch, dass sie einen zeitlichen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen zusammengeführten Pflichtverletzungen fordere, da es sich hierbei – insb. beim Erfordernis des zeitlichen Zusammenhangs – um "zu unbestimmte Rechtsbegriffe" handele.

Das LG Düsseldorf entschied im Fall Wirecard kürzlich (Urt. v. 13.07.2023 – 9 a O 154/23), dass die Verklammerung von Versicherungsfällen, die auf "sachlich und zeitlich eng miteinander verbunden[en]" Pflichtverletzungen beruhen, wirksam sei. Zwar beinhalte die infragestehende Serienschadensklausel unbestimmte Rechtsbegriffe, der Gesetzgeber verwende aber auch etwa in § 12 Abs. 4 VersVermG oder § 51 Abs. 2 BRAO solche unbestimmten Begriffe als Kriterium für die Zusammenfassung von Versicherungsfällen. In seinem Kostenfestsetzungsbeschluss, der nach Rücknahme der gegen diese Entscheidung eingelegten Berufung erging, musste sich das OLG Düsseldorf leider nicht zur Wirksamkeit der Serienschadensklausel positionieren (Beschl. v. 20.09.2023 – 4 U 117/23). Eine wegweisende Entscheidung des BGH zu der Frage, ob die neu-formulierte D&O Serienschadensklausel wirksam ist, bleibt aus.

Für mehr Rechtssicherheit könnte theoretisch der Gesetzgeber sorgen. In Frankreich sieht etwa Art. L. 124 1 1 des Versicherungsgesetzbuches (Code des assurances) für alle Haftpflichtversicherungen vor, dass Schadensereignisse, die auf derselben "technischen Ursache" (cause technique) beruhen, zu einem Schadensfall zusammengefasst werden ungeachtet der Anzahl der Inanspruchnahmen. In der französischen Regulierungspraxis spielt also die abstrakte Frage, ob die Verklammerung von Serienschäden zulässig ist, keine Rolle mehr. Dafür wird im Schadensfall umso heftiger darüber gestritten, ob zwei Schadensereignisse tatsächlich auf dieselbe "technische Ursache" zurückzuführen sind.

Mangels gesetzlicher Regelung oder höchstrichterlicher Rechtsprechung bleibt es also aktuell dabei, dass die Wirksamkeit der in deutschen D&O Policen enthaltenen Serienschadensklauseln unsicher ist und weiterhin Stoff für streitige Auseinandersetzungen zwischen Versicherern und Versicherten bietet.

Etienne Sprösser
Florian Weichselgärtner

Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

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Haftpflichtversicherungsvertrag Schadensserie Selbstbehalt D&O-Policen

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