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Bundesregierung beschließt Gesetz zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof

Die Bundesregierung hat am 16. August 2023 das Gesetz zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof beschlossen [BMJ - Pressemitteilungen - Schnellere Entscheidungen des BGH in Massenverfahren]. Wir haben bereits über den Referentenentwurf in unserem Blog berichtet (am 12. Juni 2023 Leitentscheidungsverfahren beim BGH: Gesetzesentwurf zur Ressortabstimmung vorgelegt | Advant Beiten (advant-beiten.com) sowie 15. Juni 2023 Referentenentwurf zum Leitentscheidungsverfahren | Advant Beiten (advant-beiten.com)).

Der Regierungsentwurf enthält gegenüber dem Referentenentwurf kaum Änderungen. Folgende Änderungen und Ergänzungen sind für die Zivilprozessordnung (ZPO) vorgesehen:

  1. Der BGH kann durch Beschluss ein Revisionsverfahren zum Leitentscheidungsverfahren bestimmen, wenn diese Revision Rechtsfragen aufwirft, deren Entscheidung für eine Vielzahl anderer Verfahren von Bedeutung ist. Der Beschluss des BGH enthält eine Darstellung des Sachverhalts und der Rechtsfragen, deren Entscheidung für eine Vielzahl anderer Verfahren von Bedeutung ist (§ 552 b ZPO n.F.)
  2. Sollte die zum Leitentscheidungsverfahren bestimmte Revision enden, ohne dass ein mit inhaltlicher Begründung versehenes Urteil ergeht, so trifft der BGH als Revisionsgericht durch Beschluss eine Leitentscheidung. In dem Beschluss wird festgestellt, dass die Revision beendet ist und eine Leitentscheidung getroffen wird. Der Beschluss ist zu begründen, wobei die Begründung auf die Erwägung zur Entscheidung der maßgeblichen Rechtsfragen zu beschränken ist (§ 565 ZPO n.F.).
  3. Die Instanzengerichte können mit Zustimmung der Parteien ein Verfahren aussetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Rechtsfragen abhängt, die Gegenstand eines anhängigen Leitentscheidungsverfahrens sind (§ 148 Abs.4 ZPO n.F.).

Ziel des Gesetzesvorhabens ist es, deutlich früher eine Entscheidung des BGH zu immer wiederkehrenden Rechtsfragen in sog. Massenverfahren zu erhalten. Dadurch sollen frühzeitig Leitlinien für die Instanzgerichte und Rechtssicherheit für die Parteien in den Massenverfahren geschaffen werden. Hervorzuheben ist, dass der BGH selbst dann in Form einer Leitentscheidung über die Rechtsfragen entscheidet, wenn die Parteien die Revision zurücknehmen oder sich das Revisionsverfahren auf andere Weise vor Urteilsverkündung erledigt. Die (Leit-)Entscheidung entfaltet dann zwar keine formale Bindungswirkung für die Parteien des Leitentscheidungsverfahrens, sie kann jedoch von den Instanzgerichten als Leitlinie für ähnlich gelagerte Verfahren herangezogen werden. Es bleibt abzuwarten, ob das Leitentscheidungsverfahren in der Praxis den gewünschten Erfolg erzielt. Denn Voraussetzung dafür, dass ein Verfahren vom BGH zum Leitentscheidungsverfahren bestimmt werden kann, ist, dass das Verfahren überhaupt bis in die Revisionsinstanz kommt. Wenn sich die Parteien vorher vergleichen oder das Verfahren anderweitig beenden, dürfte es auch weiterhin einige Zeit dauern, bis eine Entscheidung des BGH zu zentralen Rechtsfragen ergeht. Ungeachtet dessen, ist die Einführung des Leitentscheidungsverfahrens in jedem Fall ein wichtiger Schritt, um die Gerichte zu entlasten und frühzeitig Rechtssicherheit zu schaffen.

Christina Weinzierl
Katharina Pöhls

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Zivilprozessordnung Rechtsstreit Massenverfahren

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