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Vermieter-Rechte - Wenn der Auszug fraglich ist, kann mitunter eine Klage auf Räumung zulässig sein

BGH-Beschluss vom 25. Oktober 2022 –VIII/ZB 58/21, GE 2022, 1305

Sachverhalt

Die Vermieter kündigten das Wohnungsmietverhältnis wegen Eigenbedarfs im Juni zum Ende März des Folgejahres. Der Mieter widersprach Ende Januar der Kündigung anwaltlich. Er sei seit Erhalt der Kündigung auf Wohnungssuche, habe aber noch keine Wohnung gefunden. Sollte sich das ändern, werde er dies mitteilen. Zu diesem Zeitpunkt sei er jedoch ab dem 1. April obdachlos, so dass eine nicht zu rechtfertigende Härte nach § 574 Abs. 2 BGB vorliege. Nach § 574 Abs. 1 BGB kann der Mieter bei Vorliegen einer auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigenden Härte der Kündigung widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Nach Abs. 2 liegt eine Härte auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht zu beschaffen ist. Darauf erhoben die Vermieter Ende Februar Räumungsklage auf den 31. März. Der Beklagte zeigte an diesem Tag Verteidigungsbereitschaft an, teilte aber mit, nunmehr eine Wohnung gefunden zu haben, so dass sogar die Übergabe an diesem Tag erfolgte. Daraufhin wurde die Hauptsache von beiden Parteien mit der zweiten Erklärung im April für erledigt erklärt und beantragt, der anderen Seite die Kosten aufzuerlegen.

Im Falle einer Erledigung des Rechtsstreits entscheidet das Gericht nach § 91a Zivilprozessordnung (ZPO) unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitgegenstandes nach billigem Ermessen, wer die Kosten zu tragen hat, mithin grundsätzlich danach, wer obsiegt hätte. Das Amtsgericht legte sie dem Mieter auf, der Mieter legte Beschwerde ein. Das Landgericht legte daraufhin die Kosten den Vermietern auf. Dabei kamen die Gerichte zu unterschiedlichen Auslegungen des § 259 ZPO. Danach kann eine Klage auf zukünftige Leistung erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Das LG war der Ansicht, der Räumungsanspruch sei erst am 31. März fällig geworden, mithin die Klage zuvor unzulässig. Die Voraussetzungen für eine Räumungsklage lägen auch nur vor, wenn die Verpflichtung zur Räumung bestritten werde, nicht jedoch, wenn – wie hier – der Mieter sich zur Räumung bereit erkläre, aber geltend mache, die Leistung sei ihm tatsächlich nicht möglich. Auch der Widerspruch gegen die Kündigung für sich reiche nicht, es komme auf die Begründung an. Vorliegend sei der Widerspruch nur vor dem Hintergrund der erfolglosen Wohnungssuche erhoben worden. Es sei deshalb nicht festzustellen, dass der Mieter sich der Pflicht zur fristgerechten Räumung habe entziehen wollen.

Entscheidung

Der BGH sah dies auf die Rechtsbeschwerde der Vermieter anders und verwies zur Sachentscheidung zurück. Es könne dahinstehen, auf welchen Zeitpunkt man für die Zulässigkeit der Klage abstelle, auf den Zeitpunkt der Erledigung oder den Zeitpunkt der zustimmenden Erledigungserklärungen. Zu beiden Zeitpunkten sei die Klage zulässig gewesen. Im zweiten Zeitpunkt sei der Räumungsanspruch bereits fällig gewesen, die Klage gar nicht auf eine künftige Leistung (wie es § 259 ZPO erfordert) gerichtet.

Stelle man auf den ersten Zeitpunkt ab, so gelte für eine Besorgnis der nicht rechtzeitigen Leistung des Schuldners nach § 259 ZPO bei einem Mieter als Schuldner kein anderer Maßstab. Soweit § 259 ZPO voraussetze, dass „den Umständen nach“ die Besorgnis bestehen müsse, sei allein auf das anwaltliche Schreiben von Ende Januar als einzige Äußerung auf die Kündigung abzustellen. Der Mieter habe darin für § 259 ZPO ausreichend eindeutig zu erkennen gegeben, dass er bei gleichbleibender Lage im Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses nicht ausziehen werde. Die vom Landgericht geäußerte Ansicht, § 259 ZPO sei nur dann erfüllt, wenn der Mieter den Kündigungsgrund bestreite, nicht jedoch, wenn der Mieter beim Widerspruch lediglich zu erkennen gebe, auf tatsächliche Hindernisse beim Finden einer Wohnung zu stoßen, lasse sich zwar in der Instanzrechtsprechung und Literatur finden. Eine solche, die gesetzliche Klagemöglichkeit des Vermieters einschränkende Auslegung des § 259 ZPO sei jedoch abzulehnen.

In den Fällen des Widerspruchs des Mieters gegen eine Kündigung komme es darauf an, ob der Vermieter aufgrund der Erklärung oder des sonstigen Verhaltens des Mieters davon ausgehen muss, dieser werde zum geltend gemachten Beendigungszeitpunkt nicht zur Räumung bereit sein. Das „Sich-Entziehen“ im Sinne der Vorschrift sei auch dann zu besorgen, wenn der Mieter deutlich mache, er werde mangels Verfügbarkeit von Ersatzwohnraum in der Wohnung verbleiben. Auch dann habe er die Nichterfüllung der Leistungspflicht in seinen Willen aufgenommen. § 259 ZPO verlange nicht die Böswilligkeit des Mieters, maßgeblich sei allein die mangelnde Bereitschaft zur rechtzeitigen Leistung. Es reiche für eine Besorgnis, wenn der Schuldner erkläre, er brauche nicht zu leisten oder er wolle den Anspruch nicht erfüllen. Es sei auch unerheblich, ob sich der Mieter zu dem angekündigten Verhalten berechtigt sieht.

Dies folge aus dem gesetzgeberischen Zweck der Regelung, dem Gläubiger in bestimmten Konstellationen die Wahrnehmung seiner Rechte so zeitig zu ermöglichen, dass schon bei Fälligkeit über eine durchsetzbare Entscheidung verfügt werden könne. Die Interessen des Schuldners, aufgrund später entstehender Einwendungen (besondere Härte), seien über vollstreckungsrechtliche Möglichkeiten (§§ 767, 769 ZPO) und dadurch gewahrt, dass das mit der Räumungsklage befasste Gericht das Vorbringen der Härte zu prüfen habe. Ferner könnten auch Räumungsfristen gewährt werden (§§ 93b Abs. 3 und 721 Abs. 1 und 2 ZPO). Dies untermauert der BGH durch weitere gesetzesgeschichtliche Erwägungen.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung verbessert die Situation für eigenbedarfskündigende Vermieter. Instanzrechtsprechung und Literatur teilen zu einem nicht unerheblichen Teil die Ansicht des hiesigen Landgerichts zu § 259 ZPO. Der BGH lehnt diese Ansicht nun ab. Aus geschichtlicher Entwicklung und Sinn und Zweck der Regelung leitet er eine Einschränkung der Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Räumungsklage für den Fall des § 574 BGB dahingehend her, dass es allein ausreicht, wenn der Vermieter davon ausgehen muss, der Mieter werde zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht ausziehen. Dafür genügt es, wenn der Mieter zu erkennen gibt, dass er zum Beendigungszeitpunkt des Mietverhältnisses nicht auszieht. Es bedarf darauf bezogen zwar der genauen Betrachtung der Äußerungen des Mieters. Es kommt aber nicht darauf an, ob er nicht will oder (etwa angesichts Wohnungsmangels) nicht kann. Der BGH enthält sich der Vermischung von prozessualer Möglichkeit und materiellem Recht, mit der die Gegenansicht dem unguten Gefühl abhelfen möchte, der unverschuldet wohnungslose werdende Mieter dürfe nicht auch noch vor Beendigung des Mietverhältnisses der Klage des Vermieters ausgesetzt sein. Allerdings dürfte der vom BGH zitierte Zweck der Regelung, bereits bei Fälligkeit, hier also zum Beendigungszeitpunkt, eine vollstreckbare Entscheidung in der Hand zu haben, angesichts langer Bearbeitungszeiten der deutschen Gerichte kaum zu verwirklichen sein. Und die eröffnete Möglichkeit darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch mit Erhebung einer Räumungsklage vor Beendigung des Mietverhältnisses erst darüber entschieden wird, ob es wegen Härte fortzusetzen ist. Angesichts der sich verschärfenden Lage auf dem Wohnungsmarkt könnte dies zunehmend zulasten der Vermieter angenommen werden. Dies gilt es in der konkreten Mietsituation zu bedenken. Immerhin aber gibt diese Entscheidung die Möglichkeit zügig zu handeln und damit das ohnehin langwierige Verfahren früher einzuleiten.

Robin Maletz

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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Mietverhältnis Wohnungskündigung Räumungsklage

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