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Wann besteht ein Anspruch gegen Nachbarn auf Einräumung einer Baulast?

BGH (Urt. v. 22. Oktober 2021 - V ZR 92/20)

Problemstellung

In Zeiten knappen Wohnraums kommen für die Bebauung auch Grundstücke in Betracht, die zuvor nicht im Fokus für eine Bebauung waren. Eine weitere Verdichtung der Bebauung in den Städten führt dazu, dass vermehrt auch Grundstücke ohne eigenen Zugang zur öffentlichen Straße, sogenannte Hinterliegergrundstücke, bebaut werden. Auch befinden sich auf derartigen Hinterliegergrundstücken teilweise bereits Gebäude, die einer Nutzungsänderung zugeführt werden sollen. Im Rahmen der Erteilung einer Bau- bzw. einer Nutzungsänderungsänderungsgenehmigung für ein solches Hinterliegergrundstück stellt sich insbesondere die Frage der Sicherung der Erschließung sowie die öffentlich-rechtliche Sicherung dieser Erschließung.

Gehören die zur Erschließung notwendigen Grundstücke zwischen dem Hinterliegergrundstück und der öffentlichen Straße einem Dritten, so wird es öffentlich-rechtlich nicht nur erforderlich sein, die Wege- und Leitungsrechte durch eine zivilrechtliche Grunddienstbarkeit zu sichern. Vorausgesetzt wird in der Regel - soweit dieses Rechtsinstitut in den jeweiligen Bundesländern vorgesehen ist - die Eintragung einer Baulast.

Rechtslage

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass allein aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis kein Anspruch auf Eintragung einer Baulast gegen einen Nachbarn folgt. § 242 BGB kommt auch in seiner Ausprägung als nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis nicht in Betracht als Anspruchsgrundlage für die Einräumung einer Zuwegungsbaulast, da das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis in der Regel keine selbständigen Ansprüche begründet, sondern sich lediglich als Schranke der Rechtsausübung auswirkt (so. z. B. OLG Hamm, Urt. v. 27. Februar 2012 – 5 U 77/11).

Damit sind grundsätzlich die Eintragungen einer Baulast im Verhandlungsweg mit den Eigentümern des anderen Grundstücks zu klären.

In einer neueren Entscheidung des BGH (Urt. v. 22. Oktober 2021 - V ZR 92/20) stellte sich jedoch nun die Frage, inwiefern aus einer bereits eingeräumten Grunddienstbarkeit ein Anspruch gegen den Nachbarn auf Eintragung einer Baulast hergeleitet werden kann.

Im konkreten Fall ging es darum, dass die Klägerin eine Lagerhalle betrieb. Diese Lagerhalle war nur über das Grundstück der Beklagten zu erreichen. Zugunsten der Klägerin war eine Grunddienstbarkeit bestellt, die ein Wege- und Leitungsrecht beinhaltete. Die Klägerin plante eine Umnutzung der Lagerhalle. Anstelle von Kühlprodukten sollten Waren aller Art mit Ausnahme brennbarer Flüssigkeiten gelagert werden. Die Behörde lehnte die Nutzungsänderungsgenehmigung ab, da keine Baulast eingetragen war.

Die Klägerin nahm daraufhin die Beklagte auf Eintragung einer Baulast zivilrechtlich in Anspruch. Im Ausgangspunkt bestätigte der BGH in seiner Entscheidung zunächst, dass grundsätzlich aus einer bereits bestehenden Grunddienstbarkeit das Recht des Berechtigten folgt, vom Grunddienstbarkeitsverpflichteten die Einräumung einer Baulast zu verlangen. Dies folgt aus einer Nebenpflicht des der Grunddienstbarkeit zugrundeliegenden gesetzlichen Schuldverhältnisses, wenn eine beiderseitige Interessenabwägung einen Vorrang des Grunddienstbarkeitsberechtigten ergibt.

Grundsätzlich müssen dabei aber folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • die Grunddienstbarkeit muss zu dem Zweck bestellt worden sein, das Grundstück des Berechtigten baulich zu nutzen;
  • die vom Berechtigten geplante Bebauung muss – nach Bestellung der Baulast – baurechtlich zulässig sein;
  • die Übernahme der Baulast muss zwingende Voraussetzung für die Bebauung des Grundstücks sein bzw. eine Befreiung von dem Baulastzwang darf nicht in Betracht kommen;
  • bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit darf nicht bereits Anlass bestanden haben, bereits die Übernahme einer Baulast zu erwägen;
  • Inhalt und Umfang der geforderten Baulast müssen inhaltlich der Dienstbarkeit entsprechen.

Sämtliche der vorgenannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, um den Anspruch eine Baulast zu begründen.

Im konkreten Fall streitig und vom Zivilgericht zu überprüfen war die Frage, ob die von dem Dienstbarkeitsberechtigten geplante Bebauung nach Zustimmung zur Eintragung einer Baulast überhaupt verwirklicht werden kann, oder ob andere öffentlich-rechtliche Hindernisse, die nicht etwa durch eine Befreiung ausgeräumt werden können, weiterhin bestehen. Nur für den Fall, dass die geplante Bebauung überhaupt verwirklicht werden kann, ist dem Dienstbarkeitsverpflichteten Nachbarn zumutbar, der Eintragung einer Baulast zuzustimmen. Ein Anspruch auf Abgabe der Baulasterklärung besteht nicht, wenn feststeht, dass sie ihren Zweck nicht erfüllen kann, weil die beantragte Genehmigung dem Kläger auch nach Bewilligung der Baulast nicht erteilt werden wird.

Darüber hinaus erfordert die Prüfung des Anspruchs die Auslegung der eingeräumten Grunddienstbarkeit einerseits dahingehend, welcher Zweck mit der Einräumung verfolgt wurde, also ob insbesondere die Bebauung des Grundstücks ermöglicht werden sollte. Außerdem darf die Baulast nicht über das gewährte Nutzungsrecht der Grunddienstbarkeit hinausgehen.

Der Anspruch auf Einräumung einer Baulast ist nur auf eine deckungsgleiche, d.h. nach Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit entsprechende Baulast gerichtet, sodass sich die geänderte Nutzung, deren Genehmigung die Baulast erfordert, im Rahmen der Grunddienstbarkeit halten muss.

Der BGH zeigt in seiner Entscheidung zudem auf, dass es möglicherweise dem Anspruch auf Abgabe einer Baulasterklärung entgegensteht, wenn zur Zeit der Bestellung der Grunddienstbarkeit bereits zu erwarten war, dass bauordnungsrechtlich eine Baulast erforderlich sein könnte und die beteiligten Grundstückseigentümer sich dennoch gegen die Eintragung einer Baulast entschieden hätten. Einen Anspruch könne es entgegenstehen, wenn die Parteien um die Erforderlichkeit der Baulast wussten und sehenden Auges auf eine Einräumung verzichteten.

Konsequenzen für die Praxis

Die Möglichkeit der Einräumung einer Baulast kann von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein. Im Rahmen einer Projektentwicklung ist anzuraten, die Frage der Erschließung möglichst frühzeitig, mithin bereits bei Erwerb des Grundstückes zu prüfen und zu klären.

Die Entscheidung des BGH zeigt das Risiko auf, dass mit einer Eintragung einer Grunddienstbarkeit ggf. die sich stellenden Probleme nicht abschließend geklärt werden und der Verzicht auf Eintragung einer Baulast sogar zu einem Anspruchsausschluss für spätere Zeiten folgen kann. Im Rahmen einer Nachbarvereinbarung, insbesondere z.B. auch bei einer Grundstücksteilung sollten vorsorglich ausdrückliche Verpflichtungen des Nachbarn aufgenommen werden, an einer etwaigen Baulasteintragung mitzuwirken.

Thomas Herten

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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