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Vertragliche Bindungen von Minderjährigen im Profisport – Grenzen der Vertragsfreiheit am Beispielfall Sinan Kurt

Vor kurzem sorgte der Fall Sinan Kurt für Aufregung in der Fußballszene. Konkret ging es um den Transfer eines mittlerweile 18-Jährigen Nachwuchsspielers vom ausbildenden Verein Borussia Mönchengladbach zum FC Bayern München. Die rechtlichen Problemstellungen rund um den Wechsel von minderjährigen Fußballspielern zu anderen Vereinen werden nachfolgend beleuchtet.

Ausgangslage Der begehrte Nachwuchsspieler von Borussia Mönchengladbach hatte als damals 16-Jähriger einen sogenannten Fördervertrag bei Borussia Mönchengladbach mit einer Laufzeit von drei Jahren bis zum 30. Juni 2015 unterschrieben. Parallel hatte er zum selben Zeitpunkt auch noch einen erst ab 1.

Juli

2015 geltenden, einjährigen Anschlussvertrag abgeschlossen. Nun stellte sich die Frage, ob diese in der Praxis häufig vorkommende Kombination (Fördervertrag plus Anschlussvereinbarung) überhaupt zulässig ist und zu welchem Zeitpunkt die vertragliche Bindung des Nachwuchstalents geendet hat.

Vertragsrechtliche Grundlagen Generell sind beim Abschluss von Verträgen mit Minderjährigen Besonderheiten zu beachten. So sind Minderjährige nach Vollendung des siebten Lebensjahres bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres nur beschränkt geschäftsfähig (§

106

BGB). Daher bedarf der Abschluss eines Arbeitsvertrags mit einem Minderjährigen der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters, also im Regelfall der Eltern (§

107

BGB). Wird ein solcher Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters abgeschlossen, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab (§

108

Abs.

1

BGB).

Hinweis: Anstelle der Genehmigung durch den Vertreter kann ein Minderjähriger nach Erreichen der Volljährigkeit mit dem 18. Geburtstag als nunmehr unbeschränkt Geschäftsfähiger selbst entscheiden, ob er den geschlossenen Vertrag genehmigen will oder nicht (§

108

Abs.

3

BGB). Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein zuvor von einem Minderjährigen geschlossener Vertrag generell bei Erreichen der Volljährigkeit von diesem gekündigt werden darf. Denn lag bei Vertragsschluss eine Einwilligung vor (oder wurde dieser durch den gesetzlichen Vertreter bereits genehmigt), kann das wirksam geschlossene Vertragsverhältnis nicht mehr allein durch Verweigerung der Genehmigung des nunmehr Volljährigen beseitigt werden.


Satzungsrechtliche Besonderheiten im Profifußballbereich Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat sich in seiner Satzung den Bestimmungen des Weltfußballverbandes (FIFA) unterworfen. Gleichermaßen hat sich die Deutsche Fußball Liga als Zusammenschluss der 36 deutschen Profivereine dazu erklärt, wiederum die Satzung des DFB als verbindlich anzuerkennen. Somit gilt nach dem FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern folgende Einschränkung:

Nach Artikel 18.2 des FIFA-Reglements soll für Spieler unter 18 Jahren die maximale Laufzeit eines Vertrags drei Jahre betragen. Klauseln mit längerer Laufzeit werden ausdrücklich nicht anerkannt.

Diese verbindliche FIFA-Vorgabe steht offensichtlich im Widerspruch zu §

22

Nr.

7.1 der DFB-Spielordnung, wonach mit minderjährigen A- und B-Junioren Förderverträge abgeschlossen werden können, welche sich an dem Mustervertrag ("3+2 Modell") orientieren. Demzufolge wäre nach der DFB-Spielordnung auch ein Vertrag mit einer Laufzeit von drei Jahren zuzüglich einer Option für zwei weitere Jahre zulässig.

Rechtsfolgen für die Praxis Aufgrund der Unterwerfung der nationalen Regelungen unter das Regime des Weltverbands FIFA liegt auf der Hand, dass die in der Praxis bisher häufig vorkommende Kombination eines auf drei Jahre befristeten Fördervertrags mit einer zeitgleich geschlossenen Anschlussvereinbarung (für bis zu zwei Jahre) gegen satzungsmäßige Statuten verstößt, mit der Folge, dass im Falle eines Rechtsstreits zwischen den beteiligten Parteien die Vereinbarungen nicht wirksam durchgesetzt werden könnten. Dadurch entsteht das Dilemma, dass ein ausbildender Verein keine Möglichkeit hat, einen entsprechend geförderten Nachwuchsspieler längerfristig, d.h. über einen Zeitraum von drei Jahren hinaus, an den Verein zu binden und sich den damit verbundenen Aufwand im Falle eines Spielerwechsels durch die Zahlung einer höheren Abfindung vergüten zu lassen.

Klarzustellen ist, dass das im Fall von Sinan Kurt von Borussia Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl in einem Interview erwähnte "Gentleman Agreement" auf Club- und Beraterebene, wonach zur Förderung "kleinerer" Ausbildungsvereine solche zweifelhaften Anschlussverträge als verbindlich akzeptiert werden, rechtlich auf tönernen Füßen steht. Wenn sich, wie im vorliegenden Fall, der Spieler bzw. seine Berater im Falle eines angestrebten Wechsels mit dem abgebenden Verein nicht einig sind, besteht die Möglichkeit, einen Wechsel bereits vor Ablauf einer Anschlussvereinbarung notfalls mit Hilfe der Sports- oder Zivilgerichtsbarkeit zu erzwingen.

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