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Der doppelte Mensing: Pirouetten bei der Differenzbesteuerung im Kunsthandel - Versteht das noch jemand?

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 22. November 2023 (Az. XI R 22/23) entschieden, dass die Umsatzsteuer aus dem Vorerwerb eines Kunstgegenstandes nicht bei der Berechnung der Marge berücksichtigt werden darf. Letztlich wird damit Umsatzsteuer auf Umsatzsteuer fällig, woraus eine Verteuerung des Kunstgegenstandes von bis zu 3,6 % resultieren kann. Dies führt dazu, dass der Handel mit Kunst in Deutschland für den Erwerber unattraktiver wird. Einen anknüpfenden Beitrag zur Steuerermäßigung für die Lieferung von Kunstgegenständen finden Sie unter diesem Link.

Was ist geschehen?

Der klagende Kunsthändler hatte Kunstgegenstände von mehreren Künstlern aus dem EU-Ausland erworben. Diesen Erwerb hatte er nach § 12 Abs. 2 Nr. 13 Bstb. a) UStG mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert. Den Weiterverkauf hatte er ebenfalls als Lieferung besteuert. Denn im Falle eines Vorerwerbs aus einem EU-Ausland in Form der innergemeinschaftlichen Lieferung kann nach deutschem Recht keine Differenzbesteuerung geltend gemacht werden. Das Finanzgericht Münster legte diese Frage dem EuGH vor, der mit Urteil vom 29. November 2018 entschied, dass ein innergemeinschaftlicher Erwerb die Anwendung der Differenzbesteuerung nach Art. 316 Abs. 1 MwStSystRL nicht auszuschließen vermag. Darüber hinaus stellte der EuGH klar, dass ein Vorsteuerabzug bei Anwendung der Differenzbesteuerung ausgeschlossen ist. Das Finanzgericht Münster wendete die Differenzbesteuerung an und zog die Umsatzsteuer aus dem Vorerwerb nach § 25a Abs. 3 Satz 3 UStG ab. Damit gab sich das Finanzamt nicht zufrieden und legte Revision ein. Der XI. Senat des BFH legte die Frage des Abzugs der Umsatzsteuer aus dem Vorerwerb noch einmal dem EuGH vor. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass als Einkaufspreis nach dem Verständnis von Art. 312 und 315 MwStSystRL nur die Kostenbestandteile gemeint sein können, die der Erwerber an den Verkäufer zahlt; dazu gehört die an den Staat gezahlte Umsatzsteuer aber gerade nicht. Auf dieser Grundlage entschied der XI. Senat des BFH, dass § 25a Abs. 3 Satz 3 UStG unionsrechtswidrig sei und verweigerte damit den Abzug der Umsatzsteuer aus dem Vorerwerb.

So weit so gut: erstaunlich an dieser Entscheidung ist aber, dass der Senat offensichtlich in der Entscheidung einen Bruch des Systems der Differenzbesteuerung erblickt. Denn der Senat hat – was aus Sicht der Beraterschaft erstaunlich ist – am Ende seiner Entscheidung dem Steuerpflichtigen zwei Wege aufgezeigt, wie er der Differenzbesteuerung wieder entkommen kann. Zum einen wäre ein Verzicht auf die Differenzbesteuerung möglich, so dass ein Vorsteuerabzug möglich wäre. Damit hätte er dann ggf. auch beim Weiterverkauf vom ermäßigten Steuersatz profitieren können. Interessanter scheint aber die vom Senat aufgezeigte Möglichkeit eines Teilerlasses der Doppelbesteuerung („Steuer auf die Erwerbsteuer“). Dieser Billigkeitserlass wird mit der zweckwidrigen Doppelbesteuerung begründet. Es könne nicht sein, dass durch den fehlenden Abzug der Erwerbsteuer die Neutralität der Umsatzsteuer gefährdet bzw. gegen diesen Grundsatz verstoßen werde. Im Klartext: eine systemwidrige Besteuerung kann selbst dann, wenn diese gesetzlich geregelt ist, nicht hingenommen werden.

Was ist die Konsequenz?

Diese Hilfestellung des XI. Senats des BFH ist zwar zu begrüßen. Allerdings ist es auf europäischer und der nationalen Ebene angezeigt, eine Änderung der derzeitigen Rechtslage vorzunehmen. Andernfalls könnte der Kunstmarkt national und im Gemeinschaftsgebiet tatsächlich nicht mehr konkurrenzfähig sein.

Für alle, die von dieser Entscheidung unmittelbar betroffen sind, kann es nur heißen: Stellung eines Erstattungsantrags nach § 163 AO!

Marcus Mische

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Kunstrecht Umsatzsteuer Kunstgegenstand Differenzbesteuerung

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