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Stellungnahme der Finanzverwaltung: Begründet die Homeofficetätigkeit eine Betriebsstätte?

Im Anwendungserlass vom 5. Februar 2024 hat sich die Finanzverwaltung erstmals dazu geäußert, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer im Homeoffice eine Betriebsstätte begründet – oder eben nicht.

Spätestens mit der Covid-Krise hat sich das so genannte Homeoffice etabliert und ist heute fester Bestandteil vieler Arbeitnehmer. Aus steuerlicher Sicht ist bei einem regelmäßigen Tätigwerden des Arbeitnehmers in dessen privater Wohnung fraglich, ob hierdurch eine Betriebsstätte des Arbeitgebers begründet wird. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten wären die steuerlichen Folgen beträchtlich: So könnte ein inländischer Arbeitnehmer für ein ausländisches Unternehmen eine beschränkte Steuerpflicht auslösen. Anknüpfend daran folgen umfassende Betriebsstättengewinnermittlungs- sowie Anzeige- und Dokumentationspflichten. Selbst in reinen Inlandsfällen hätte die Annahme einer Betriebsstätte steuerliche Auswirkungen. Unternehmen mit einer Betriebsstätte in Deutschland sind verpflichtet, sich in Deutschland steuerlich zu registrieren und unterliegen der Einkommen- oder Körperschaftsteuer sowie regelmäßig der Gewerbesteuer. Darüber hinaus sind sie zum Lohnsteuerabzug für ihre im Inland beschäftigten Mitarbeiter verpflichtet.

Zur Homeoffice-Betriebsstätte äußerte sich bislang der OECD-Musterkommentar, der den Betriebsstättenbegriff weiter auslegt und etwa bei einer Vereinbarung zur dauerhaften Heimarbeit eine Betriebsstätte des Arbeitgebers begründet. Der OECD-Musterkommentar ist jedoch für die deutsche Finanzverwaltung und -gerichtsbarkeit nicht bindend und stellt vielmehr eine bloße "Auslegungshilfe" dar. Mit den am 20. Februar 2024 veröffentlichten Anpassungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) bezieht die Finanzverwaltung selbst nun erstmals Stellung (AEAO zu § 12 Nr. 4): Danach begründet die Tätigkeit eines Arbeitnehmers in dessen häuslichem Homeoffice im Regelfall keine Betriebsstätte.

Hinter der klaren Positionierung der Finanzverwaltung steht der Gedanke, dass der Arbeitgeber typischerweise nicht über eine ausreichende Verfügungsmacht über die häuslichen Räumlichkeiten des Arbeitnehmers verfügt (etwa aufgrund von Eigentum oder Miete). Aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) lässt sich entnehmen, dass lediglich bei einer dauerhaften Nutzungsbefugnis des Arbeitgebers eine Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten des Arbeitnehmers und damit eine Betriebsstätte angenommen werden kann.

Die Grundsätze der Finanzverwaltung gelten selbst dann, wenn der Arbeitgeber die Kosten für das Homeoffice und dessen Ausstattung übernimmt oder der Arbeitgeber als Mieter mit dem Arbeitnehmer als Vermieter einen Mietvertrag über Räume in den Häuslichkeiten des Arbeitnehmers abschließt. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen besteht, sofern der Arbeitgeber befugt ist, die Räumlichkeiten über das Homeoffice seines die Räume bereitstellenden Arbeitnehmers hinaus anderweitig zu nutzen. Eine Betriebsstätte wird auch dann nicht begründet, sofern dem Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird.

Die Aussagen der Finanzverwaltung beziehen sich ausdrücklich auf einfache Arbeitnehmer. Für Arbeitnehmer mit Leitungsfunktion trifft die Finanzverwaltung hingegen keine Aussage. Daher trifft etwa im Inland tätige, leitende Angestellte ausländischer Unternehmen (Inbound-Fall) das Risiko, dass die Finanzverwaltung eine Geschäftsleitungsleitungsbetriebsstätte annimmt (§ 12 S. 2 Nr. 1 i.V.m. § 10 AO). In diesem Zusammenhang empfehlen wir, den tatsächlichen Ausübungsort zu dokumentieren, an dem die leitenden Angestellten ihrer Arbeit nachgehen. Damit kann nachgewiesen werden, dass das Tagesgeschäft nicht in Deutschland ausgeübt wird. Darüber hinaus könnte die Finanzverwaltung eine reguläre Betriebsstätte gemäß § 12 S. 1 AO annehmen, indem sie eine Verfügungsmacht des Arbeitgebers bejaht. Insoweit sollte mit entsprechender Vertragsgestaltung ein Recht zum Betreten durch den Arbeitgeber ausgeschlossen werden.

Die klare Positionierung der Finanzverwaltung zur Homeoffice-Betriebsstätte, ist insbesondere für ausländische Unternehmen mit dem Einsatz einfacher Angestellter in Deutschland (Inbound-Fall) begrüßenswert.

Jedoch bleiben die steuerlichen Risiken für inländische Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter aus dem ausländischen Homeoffice heraus tätig werden lassen (Outbound-Fall), überwiegend bestehen. Denn die im ausländischen Homeoffice erbrachten Tätigkeiten sind nach lokalem sowie gegebenenfalls DBA-Recht eigenständig zu beurteilen. Daher kann es zu einem Qualifikationskonflikt kommen, soweit der ausländische Staat den weiteren Betriebsstättenbegriff des OECD-Musterkommentars zugrunde legt, eine Homeoffice-Betriebsstätte bejaht und Deutschland das Vorliegen einer Betriebsstätte ablehnt. Bei Bejahung einer ausländischen Betriebsstätte besteht ein erhöhter Compliance-Aufwand sowie die Gefahr der Doppelbesteuerung: Der ausländische Staat besteuert den Gewinn der Homeoffice-Betriebsstätte, Deutschland sieht mangels Betriebsstätteneigenschaft keine Freistellung vor. Betroffenen Unternehmen empfehlen wir, sich vor Tätigkeitsaufnahme in beiden Staaten über die steuerlichen Folgen des Homeoffice zu informieren.

Darüber hinaus besteht weiterhin Rechtsunsicherheit für leitende Angestellte, eine Geschäftsleitungs- oder, bei entsprechender Verfügungsmacht des Arbeitgebers, eine reguläre Betriebsstätte im Inland zu begründen. Hier wäre eine Aussage der Finanzverwaltung hilfreich gewesen, sodass abzuwarten bleibt, wie sich die Rechtsprechung zu den Kriterien der Verfügungsmacht entwickeln wird.

Markus P. Linnartz
Jakob Gerstung

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Homeoffice Regelmäßige Arbeitsstätte Steuerpflicht

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