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David gegen Goliath? Der Kampf des Bundeskartellamts gegen Facebook

Die Digitalisierung der Wirtschaft wurde durch die Pandemie immer weiter beschleunigt. Profiteure waren vor allem die großen Internetkonzerne, die ihre Macht und ihre Marktstellung weiter ausbauen konnten. Für das Bundeskartellamt war die digitale Ökonomie auch in den beiden zurückliegenden Jahren ein wichtiger und zentraler Arbeitsbereich.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes sagte: „Wir sind in diesem Bereich seit über einem Jahrzehnt sehr aktiv und haben schon einige Verfahren gegen große Internetkonzerne erfolgreich abgeschlossen. Seit Anfang dieses Jahres verfügen wir über ein neues kartellrechtliches Instrument. Wir können jetzt noch effektiver gegen Wettbewerbsbeschränkungen von großen Digitalkonzernen vorgehen und haben auf dieser Basis in den vergangenen fünf Monaten Verfahren gegen Google, Amazon, Facebook und Apple eingeleitet.“

Der Paukenschlag startete am 7. Februar 2019 nach einer dreijährigen Prüfung: Das Bundeskartellamt untersagt Facebook die Zusammenführung von Nutzerdaten aus verschiedenen Quellen.

Die Entscheidung des Amtes erfasst verschiedene Datenquellen:

  1. Künftig dürfen die zum Facebook-Konzern gehörenden Dienste wie WhatsApp und Instagram die Daten zwar weiterhin sammeln. Eine Zuordnung der Daten zum Nutzerkonto bei Facebook ist aber nur noch mit freiwilliger Einwilligung des Nutzers möglich. Wenn die Einwilligung nicht erteilt wird, müssen die Daten bei den anderen Diensten verbleiben und dürfen nicht kombiniert mit den Facebook-Daten verarbeitet werden.
  2. Eine Sammlung und Zuordnung von Daten von Drittwebseiten zum Facebook-Nutzerkonto ist in der Zukunft ebenfalls nur noch dann möglich, wenn der Nutzer freiwillig in die Zuordnung zum Facebook-Nutzerkonto einwilligt.

Aus kartellrechtlicher Sicht wurde das Verhalten des Konzerns als missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung bewertet. Facebook wiederum widerspricht der Feststellung, da es sich im Wettbewerb mit Anbietern wie Youtube, Snapchat und Twitter sieht, und legte Beschwerde gegen die Entscheidung ein. In der Sache des Oberlandesgerichts Düsseldorf am 24. März 2021 legte dieses dem Europäischen Gerichtshof den Fall vor und bat um eine Stellungnahme, ob es zulässig ist, dass eine nationale Kartellbehörde Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung feststellt und dagegen Maßnahmen erlässt. Weiterhin soll der EuGH klären, was in diesem Zusammenhang sensible Daten sind.

Am 10. Dezember 2020 wurde veröffentlicht, dass das Bundeskartellamt die Verknüpfung von Oculus Virtual-Reality-Produkten mit dem sozialen Netzwerk und Facebook prüft.

Virtual-Reality-Produkte haben das Ziel, den Nutzer bei der Nutzung digitaler Inhalte in eine virtuelle Realität zu versetzen. Das dreidimensionale Sehen, das dem menschlichen Auge die räumliche Wahrnehmung der Umgebung ermöglicht, wird durch entsprechende Technik simuliert. Für die Nutzung der VR-Technologie wird eine VR-Brille benötigt. Die Nutzung der Oculus-Brillen soll nur noch mit einem bestehenden Facebook-Konto möglich sein. Diese Verknüpfung könnte den Wettbewerb der sozialen Netzwerke als auch den wachsenden VR-Markt beeinträchtigen und damit ein verbotener Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Facebook darstellen. Am 19. Januar 2021 ist die 10. GWB-Novelle in Kraft getreten. Ein zentraler Bestandteil der Neuerungen des Gesetzes zielt auf Unternehmen mit einer sog. überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb. Diese neuen Vorschriften sind im § 19a GWB verankert und sollen es dem Bundeskartellamt ermöglichen, solchen Unternehmen besondere Verhaltenspflichten aufzuerlegen. Daher weitete das Bundeskartellamt seine Prüfung dahingehend aus, ob Facebook unter die neuen Regelungen fällt und die Verknüpfung hieran zu messen ist.

Am 23. Juli 2021 gab das Bundeskartellamt bekannt, dass es prüft, ob für die geplante Übernahme des Start-ups Kustomer durch Facebook eine fusionskontrollrechtliche Anmeldepflicht bestand.

Kustomer hat seinen Sitz in der USA (New York) und ist ein Unternehmen, welches Unternehmenskunden eine Cloud-basierte Kunden-Management-Plattform anbietet. Im Rahmen der Prüfung muss festgestellt werden, ob das Vorhaben eine Inlandsauswirkung hat und, ob das Zielunternehmen in erheblichen Umfang in Deutschland tätig ist. Beides sind Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der deutschen Fusionskontrolle. Mit der 9. GWB-Novelle im Jahr 2017 hat der Gesetzgeber die sog. Transaktionswertschwelle eingeführt. Diese ermöglicht eine wettbewerbsrechtliche Prüfung von Fusionen und Käufen, bei einem Kaufpreis von mehr als 400 Mio. Euro, obwohl das Unternehmen nur geringe oder sogar gar keine Umsätze erzielt. Der hohe Kaufpreis ergibt sich durch die Erwartung bzw. Hoffnung in das Potential des Unternehmens.

Der Wind wird rauer.

Parallel werden Verfahren in Brüssel und New York angestrengt.

EU-Kommissarin für Wettbewerbsrecht Margrethe Vestager kündigte an, dass sie mögliche Wettbewerbsverstöße prüfen will, und dass ein förmliches Verfahren gegen Facebook eingeleitet wurde. Sowohl die US-Regierung als auch 46 Bundesstaaten ziehen vor Gericht. Im Dezember letzten Jahres warf New Yorks Justizministerin Letitia James dem Internetkonzern unfairen Wettbewerb vor: „Facebook hat seine Monopolmacht genutzt, um kleinere Rivalen zu vernichten und die Konkurrenz auszulöschen, alles auf Kosten alltäglicher Nutzer“. Die amerikanische Bundeshandelskommission (FTC) fordert in ihrer eigenen Klage sogar explizit die Zerschlagung. Die Diskussion und die Kritik an den Internetgiganten wird Angesicht ihrer immer steigenden Macht sicher nicht sinken, eher noch steigen werden.

Prof. Dr. Rainer Bierwagen


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Kartellrecht EU-Recht Bundeskartellamt Digitalisierung

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