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EuGH bestätigt das Vorgehen der Kommission gegen selektive Steuervorteile als Beihilfen, aber der Weg bleibt steinig

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hob am 08. November 2022 das Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuG) vom 24. September 2019 in der Rechtssache Luxemburg und Fiat Chrysler Finance Europe (kurz: FFT)/Kommission (Verbundene Rechtssachen T-755/15 und T-759/15) auf und erklärte den vorangegangenen Kommissionsbeschluss vom 21. Oktober 2015 über staatliche Beihilfen Luxemburgs zugunsten von FFT für nichtig. Zwar bestätigte der EuGH die grundsätzliche Linie der Kommission, er begründete seine Entscheidung jedoch damit, dass die Prüfung des Bezugssystems und der Frage, ob FFT ein selektiver Vorteil gewährt wurde, von der Kommission fehlerhaft vorgenommen worden war.

Das Urteil setzt die Reihe von gerichtlichen Überprüfungen der neueren Kommissionspraxis, Steuervorteile als Beihilfen anzusehen, fort. Dazu bereits

Hintergrund der jetzigen Rechtsmittelentscheidung des EuGHs ist der Erlass eines luxemburgischen Steuervorbescheides zugunsten von FFT, welchen die Europäische Kommission untersuchte und mit Beschluss vom 21. Oktober 2015 festhielt, dass es sich bei dem Steuerbescheid um eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV handle, die gegen das Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 AEUV verstoße. Mit Urteil vom 24. September 2019 bestätigte das EuG den Kommissionsbeschluss. FFT begehrte nunmehr erfolgreich die Aufhebung dieses Urteils und die Nichtigerklärung des Kommissionsbeschlusses.

Der EuGH hat in seiner jetzigen Entscheidung abermals hervorgehoben, dass eine nationale Maßnahme unter vier Voraussetzungen eine staatliche Beihilfe darstelle: Erstens müsse die Maßnahme vom Staat ausgehen bzw. staatliche Mittel in Anspruch nehmen. Zweitens müsse die Eignung der Maßnahme festgestellt werden, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens müsse der Begünstigte ihretwegen einen selektiven Vorteil erlangen und viertens müsse sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen.

Dabei sei es Aufgabe der Kommission für die dritte Voraussetzung des selektiven Vorteils zunächst das jeweilige Bezugssystem zu ermitteln. Aufgrund der Steuerautonomie der Mitgliedstaaten seien darunter die Steuerregelungen nach nationalem Recht zu verstehen. Anschließend sei von der Kommission darzutun, dass die fragliche Maßnahme von dem Bezugssystem abweicht, indem sie zwischen Wirtschaftsteilnehmern unterscheidet, die sich im Hinblick auf das mit dem Bezugssystem verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. Ebenso sei von ihr darzutun, dass sich diese Unterscheidung nicht mit der Natur oder dem Aufbau des Bezugssystems rechtfertigen lässt.

Der Generalanwalt Pikamäe befand, dass die Kommissionsentscheidung und das Urteil des Gerichts rechtmäßig sind, aber der EuGH schloss sich dieser Auffassung nicht an. Er urteilte, die Kommission habe bei der Prüfung den Fehler begangen, einen unzutreffenden Fremdvergleichsgrundsatz außerhalb des konkret anwendbaren luxemburgischen Steuerrechts heranzuziehen.

Einerseits bestätigt der EuGH damit grundsätzlich das Vorgehen der Kommission gegen selektive Steuervorteile als Beihilfen, andererseits zeigt das Urteil, dass der Gerichtshof mit akribischer Sorgfalt die Begründungen der Europäischen Kommission wie auch des EuG prüft. Die Bestimmung eines Steuervorteils als Beihilfe mag in den dem Fiat-Fall vergleichbaren Fällen schwieriger geworden sein, ist jedoch nicht ausgeschlossen.

Prof. Dr. Rainer Bierwagen
Dr. Dietmar O. Reich



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Kartellrecht Beihilfenrecht EuGH Steuerrecht Tax

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