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NFT-Kunst: Viel Hype - viele offene Rechtsfragen!

Der Kunstmarkt für Non-fungible-Token (kurz „NFTs“) boomt! Der Verkauf des Digitalkunstwerks „Everydays: The First 5000 Days“ des Künstlers Beeple bei einer Versteigerung des Auktionshauses Christie's im März 2021 für den (damaligen) Rekordpreis für ein NFT-Kunstwerk von 69,3 Millionen USD war nur der Startschuss. Der Hype um NFT-Kunst1 geht seitdem ungebremst weiter und die Verbindung zwischen der klassischen Kunstwelt und der digitalen Kunst- und Krypto-Szene entwickelt sich in einem rasenden Tempo.

So hat Christie's eine Kooperation mit der NFT-Handelsplattform Open Sea gestartet und im Dezember 2021 erste Auktionen über diese Plattform durchgeführt. Auch der Konkurrent Sotheby's schläft nicht und betreibt bereits seit Anfang des Jahres 2021 ein Auktionshaus in der interaktiven virtuellen Welt Decentraland. Über dieses digitale Auktionshaus können Nutzerinnen und Nutzer mit NFT-Kunst und anderen digitalen Werken handeln. Im Oktober 2021 verkündete Sotheby's dann mit dem Launch einer eigenen NFT-Handelsplattform unter dem Namen „Sotheby's Metaverse“ den nächsten großen Schritt in Richtung Verknüpfung von analoger und virtueller Kunstwelt.

Ein weiterer Paukenschlag folgte Anfang Dezember 2021 mit der Auktion des NFT-Kunstwerks „the Merge“ des Künstlers PAK über die NFT-Handelsplattform Nifty Gateway, bei der ein Rekorderlös von insgesamt 91,8 Millionen USD erzielt wurde. Die Besonderheit bestand in diesem Fall darin, dass das Werk in einem komplexen Verfahren in insgesamt 266.455 Einheiten und entsprechende NFTs aufgesplittet wurde (sog. „Fraktionalisierung“) und an über 28.000 Käufer verkauft wurde. Betrachtet man nur den Gesamtverkaufserlös, hat „the Merge“ nicht nur den Beeple-Rekord für das teuerste NFT-Kunstwerk gebrochen, sondern ist auch das teuerste Kunstwerk eines lebenden Künstlers, das jemals öffentlich verkauft wurde.

Doch was macht digitale NFT-Kunst so wertvoll? Zur Beantwortung dieser Frage hilft es, sich das bisherige Grundproblem digitaler Kunst zu vergegenwärtigen: Sie ist sehr leicht in identischer Form reproduzierbar. Die Erschaffung singulärer Digitalkunstwerke war daher unmöglich. Künstlerinnen und Künstler konnten nach der Veröffentlichung nicht mehr kontrollieren, ob ihre Werke kopiert und weiterverbreitet werden.

Die digitale Kunst ist daher ein idealer Anwendungsfall für den Einsatz der blockchainbasierten NFTs. Wie sich aus der Bezeichnung ergibt, sind NFTs „non-fungible“, d. h. nicht austauschbar und deshalb einzigartig. Sie bilden somit das Gegenstück zu den sog. „Fungible Token“, die beliebig austauschbar und deren Hauptanwendungsfall die verschiedenen Kryptowährungen sind. Wird ein digitales Kunstwerk nun mit einem solchen einzigartigen NFT verknüpft (sog. „Tokenisierung“), entsteht eine Art Zertifikat, das es seinem Inhaber ermöglicht, sich als exklusiver Inhaber des verknüpften digitalen Kunstwerks auszugeben. Das tokenisierte Kunstwerk wird daher zu einer Art digitalem Originalkunstwerk. Damit wird digitale Kunst erstmals wirklich handelbar. Dies hat innerhalb des letzten Jahres zu einem exponentiellen Anstieg des Kaufinteresses an digitaler Kunst und zu einer Explosion der Verkaufserlöse geführt.

Die Auflistung der Beispiele für den boomenden NFT-Kunstmarkt lässt sich endlos weiterführen. Doch während ein Verkaufsrekord den nächsten jagt, stellt sich die Frage, wie rechtssicher der Handel mit NFT-Kunst überhaupt ist. Dieser Beitrag soll einen Überblick über verschiedene im Zusammenhang mit digitaler NFT-Kunst bestehende rechtliche Probleme und aktuell diskutierte Rechtsfragen geben.

I. Technischer Hintergrund

Bevor die rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit NFT-Kunst erläutert werden können, bedarf es einer kurzen Darstellung der Grundzüge der blockchainbasierten NFT-Technologie:

Die Blockchain2 kann als eine sich ständig erweiternde öffentliche Datenbank beschrieben werden, die dezentral über eine unbegrenzte Anzahl beteiligter Rechner in einem globalen Netzwerk laufend aktualisiert wird. Diese Datenbank besteht aus einzelnen Blöcken, in denen bestimmte Informationen der Blockchain-Teilnehmer (z. B. Transaktionen) gespeichert werden. Die Blöcke sind dabei auf eine Art und Weise kryptografisch miteinander verkettet, dass jeder neue Block den vorherigen Block eindeutig referenziert. Durch diese Verkettung kann sichergestellt werden, dass die in den früheren Blöcken gespeicherten Daten nicht nachträglich abgeändert werden können. Da die ganze Blockchain auf sämtlichen beteiligten Rechnern hinterlegt ist, können die Daten auch nicht durch eine einzelne zentrale Stelle manipuliert werden.

Innerhalb einer Blockchain können Vermögenswerte durch NFTs repräsentiert werden. Die Erstellung von NFTs (sog. „Minting“ bzw. deutsch „Prägen“) ist nur auf frei programmierbaren Blockchains (z. B. Ethereum) möglich. Auf solchen Blockchains können NFTs durch sog. „Smart Contracts“ erzeugt werden. Bei Smart Contracts handelt es sich nicht um Verträge im rechtlichen Sinne, sondern um Programmcodes, die nicht nur bestimmte Vertragsbedingungen technisch abbilden, sondern auch deren Umsetzung dokumentieren und steuern können. Nachträgliche Veränderungen von Smart Contracts sind aufgrund der beschriebenen Funktionsweise der Blockchain nicht möglich.

Jedes NFT verfügt über eine sog. „Token-ID“ und ist über diese, in Kombination mit der Adresse des Smart Contracts über den das NFT generiert wurde, eindeutig identifizierbar. Darüber hinaus können in dem Smart Contract eines NFT insbesondere Informationen zu dem von dem Token repräsentierten Vermögenswert sowie zu dem Inhaber gebündelt werden. Sofern der Token ein digitales Kunstwerk repräsentiert, wird die entsprechende Bilddatei in aller Regel nicht selbst in dem Smart Contract abgebildet, sondern lediglich verlinkt. Bei dieser Verlinkung sind verschiedene Ausgestaltungen möglich. Eine Möglichkeit, die z. B. bei dem erwähnten Beeple-NFT genutzt wurde, ist die Verlinkung des Smart Contracts mit dem sog. „IPFS-Hashwert“. Dabei handelt es sich um einen eindeutigen kryptografisch erzeugten Fingerabdruck einer Datei. Bei dem Beeple-NFT wurde nicht direkt der Hashwert der Bilddatei verlinkt, sondern eine Textdatei, die die wichtigsten Metadaten zu dem Bild enthält. Erst über einen weiteren Link gelangt man zur eigentlichen Bilddatei des Beeple-Werks.

II. Viele ungeklärte Rechtsfragen

Angesicht der schlagzeilenträchtigen Verkäufe von NFT-Kunst verwundert es nicht, dass sich auch die juristische Literatur in den letzten Monaten vermehrt mit dem Thema befasst hat. Da es in Deutschland bisher kein Gesetz gibt, dass für eine klare rechtliche Einordnung von NFTs, NFT-Transaktionen und den damit im Zusammenhang stehenden Fragen sorgt, ist eine rege und offene Diskussion über das Phänomen NFTs entstanden. Hierüber soll der Beitrag einen Überblick geben.

1. Eigentumsähnlichkeit von NFTs

Da es sich bei NFTs mangels Körperlichkeit nicht um Sachen gemäß § 90 BGB handelt, können NFTs nicht als Eigentum im Sinne von § 903 BGB eingestuft werden. Erwogen wird jedoch die analoge Anwendung von § 903 BGB. Die für eine solche Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke dürfte vorhanden sein, da der Gesetzgeber das Thema NFTs wohl bisher nicht wahrgenommen hat. Darüber hinaus können die Interessen des Inhabers eines NFTs durchaus mit denen des Eigentümers eines körperlichen Gegenstandes verglichen werden. Genau wie dem Eigentum, kommt dem NFT in gewisser Weise eine Zuordnungs- und Ausschlussfunktion zu, da er über den Smart Contract einem bestimmten Inhaber zugewiesen ist und andere Nutzer von seiner Nutzung ausgeschlossen sind. Zudem wird vertreten, dass durch die Zuordnung des NFT zu einem einzigen Berechtigten und die durch den Smart Contract gewährleistete Transparenz, dem sachenrechtlichen Publizitäts- und Bestimmtheitsgrundsatz hinreichend Rechnung getragen wird. Aufgrund der Eigentumsähnlichkeit von NFTs scheint daher eine analoge Anwendung von § 903 BGB vertretbar. Klarheit könnte der Gesetzgeber durch eine (mit § 2 Abs. 3 eWPG vergleichbare) gesetzliche Fiktion schaffen, nach welcher NFTs als Sachen im Sinne des § 90 BGB gelten.

Darüber hinaus wird vertreten, dass NFTs als sonstige Rechte im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB einzustufen sind. Die dazu erforderliche eigentümerähnliche Position dürfte dem Inhaber eines NFTs wie oben dargestellt zukommen. Die Einstufung des NFT als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB scheint daher ebenfalls vertretbar.

2. Urheberrechtliche Relevanz des Minting

Rege diskutiert wird auch die Frage, ob das Minting eines mit einem digitalen Werk verknüpften NFT zu einer urheberrechtlich relevanten Nutzung dieses Werkes führt. Hierbei ist zu beachten, dass das digitale Kunstwerk selbst in aller Regel im Smart Contract nur verlinkt wird (vgl. oben Ziff. I.). Eine Vervielfältigung im Sinne von § 16 UrhG kommt daher nicht in Betracht. Auch eine öffentliche Zugänglichmachung des digitalen Werks gemäß § 19a UrhG durch die Setzung des Links in dem Smart Contract wird jedenfalls dann regelmäßig ausscheiden, wenn der Urheber das Werk selbst online gestellt hat. In diesem Fall handelt es sich beim Minting nicht um eine urheberrechtlich relevante Verwertungshandlung.

3. Welche Nutzungsrechte erwirbt der Käufer?

Ob der Käufer eines NFT auch die Nutzungsrechte an dem durch das NFT repräsentierten Kunstwerk erwirbt, hängt von dem im Einzelfall zu ermittelnden Parteiwillen ab. Keineswegs ist mit einer NFT-Transaktion stets eine Übertragung von Nutzungsrechten verbunden. Die Rechteeinräumung sollte daher transparent geregelt werden. Regelmäßig wird sich der Umfang der Rechteeinräumung aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der jeweiligen NFT-Handelsplattform ergeben. Darüber hinaus können die Lizenzbedingungen auch in den Metadaten des Smart Contracts verlinkt werden.

4. Urheberrechtliche Bewertung des Verkaufs von NFT-Kunst

Diskutiert wird auch die Frage, wie der Verkauf von NFT-Kunst urheberrechtlich einzuordnen ist. Da das mit dem NFT verknüpfte digitale Kunstwerk im Smart Contract im Regelfall lediglich verlinkt wird (vgl. oben Ziff. I.), wird dieses durch die Transaktion nicht angetastet. Mit dem Verkauf des NFT in der Blockchain geht daher keine Vervielfältigung oder Verbreitung (§§ 16, 17 UrhG) des Werkes einher. Auch eine öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG scheidet aus, da die Verlinkung des Kunstwerks in dem Smart Contract schon im Rahmen des Minting erfolgt ist (das regelmäßig selbst bereits nicht § 19a UrhG unterfällt, vgl. oben Ziff. II. 2).

Urheberrechtlich relevant können daher allenfalls etwaige verkaufsbegleitende Maßnahmen sein, wie z. B. die Bewerbung des NFT mit einer Vorschau auf das verknüpfte Werk auf der Verkaufsplattform. Darin wird regelmäßig eine Vervielfältigung (§ 16 UrhG) und eine öffentliche Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) liegen.

5. Erhebliches Missbrauchsrisiko!

Rein technisch kann jeder ein NFT für ein online veröffentlichtes digitales Kunstwerk prägen. Es gibt daher keine Garantie, dass der Ersteller des NFT tatsächlich auch der Urheber des Kunstwerks bzw. zumindest der Rechteinhaber ist. Genau wie ein Fälscher eines Gemäldes die Signatur eines der alten Meister auf ein Bild schreiben kann, kann auch ein betrügerischer Internetnutzer ein NFT für ein digitales Werk prägen und behaupten, es sei das Original oder zumindest eine autorisierte Kopie. Da ein gutgläubiger Erwerb urheberrechtlicher Nutzungsrechte nicht möglich ist, geht der Erwerber in diesem Falle leer aus. Auch der Rechteinhaber hat grundsätzlich keine rechtliche Handhabe gegen das unberechtigte Minting, da dieses keine urheberrechtlich relevante Verwertungshandlung darstellt (vgl. oben Ziff. II. 2).

Es verwundert daher nicht, dass bereits die ersten Fälle von unberechtigten NFT-Prägungen Schlagzeilen machen. So warfen im November letzten Jahres mehrere bekannten Künstlerinnen und Künstler dem Londoner Kurator und Gründer des „Art Wars“-Projekts Ben Moore vor, unberechtigt NFTs von Fotos der von ihnen im Zuge dieses Projekts geschaffenen Werke geprägt und verkauft zu haben.

6. Automatisierte Beteiligung am Verkaufserlös

Großes Potential bietet die Möglichkeit bei NFT-Kunst, eine Partizipation der Künstler an künftigen Verkaufserlösen über den Smart Contract zu automatisieren. Der Ersteller des NFT kann im Smart Contract festlegen, dass ihm stets ein bestimmter Anteil an künftigen Weiterveräußerungserlösen zufließt. Wird der NFT veräußert, überweist die Blockchain den Betrag automatisch an den Ersteller.

Eine solche automatisierte Erlösbeteiligung über den Smart Contract ist den Schöpfern von digitalen NFT-Kunstwerken auch aus rechtlichen Gründen zu empfehlen. Diese können sich in der Regel nämlich nicht auf eine Erlösbeteiligung aufgrund des urheberrechtlichen Folgerechts gemäß § 26 UrhG berufen, das grundsätzlich nur physische Originalwerke erfasst.

III. Bedeutung für Künstler und Kunsthandel

All das zeigt, dass im Zusammenhang mit dem Handel von NFT-Kunst zahlreiche Rechtsfragen ungeklärt sind. Der deutsche Gesetzgeber und die Rechtsprechung sind daher gefordert, die Rahmenbedingungen für eine rechtssichere Token-Wirtschaft zu schaffen. Bis dahin liegt es an den Künstlern, Galeristen und Plattformbetreibern, NFT-Transaktionen so transparent zu gestalten, dass für sämtliche Parteien die notwendige Rechtssicherheit besteht.

Vor allem können die Künstler selbst dazu beitragen, ein unberechtigtes Minting von NFTs ihrer Werke zu erschweren. Sinnvoll ist es in jedem Fall, digitale Kunstwerke nicht vor dem Minting des dazugehörigen NFT zu veröffentlichen. So haben Dritte gar nicht erst die Möglichkeit, erstmalig ein NFT zu dem Werk zu kreieren. Darüber hinaus sollten die Künstler (und Galerien) möglichst transparent veröffentlichen, welches NFT das mit ihrem Kunstwerk verknüpfte Original ist. Hierdurch können sie sich zumindest in gewissem Umfang absichern.

Dr. David Moll

1Mit dem Begriff „NFT-Kunst“ werden hier mit einem NFT verknüpfte digitale Kunstwerke bezeichnet.

2Der Begriff „Blockchain“ wird hier im Sinne einer öffentlichen Blockchain verwendet.

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