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Schweigsame Hinweisgeber? Auswirkungen des Hinweisgeberschutzgesetzes auf Vertraulichkeitsvereinbarungen

Seit der Einführung des Hinweisgeberschutzgesetzes wird allerorts die Einrichtung von Meldekanälen diskutiert. Weitgehend unter dem Radar blieb bisher eine Norm am Ende des neuen Gesetzes, die beträchtliche Auswirkungen auf Geheimhaltungs- oder Verschwiegenheitsvereinbarungen haben könnte. Davon handelt der folgende Blogbeitrag.

Neben den viel beachteten Pflichten, insbesondere zur Einrichtung von Meldekanälen, finden sich im neuen Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) vor allem Rechte für die hinweisgebenden Personen (sog. Whistleblower). Sie haben nämlich nunmehr das ausdrückliche Recht, gewisse Rechtsverstöße zu melden. Dabei sollen sie sich zunächst an die internen Meldestellen halten (§ 7 Abs. 1 HinSchG), können sich aber auch direkt an externe Meldestellen wenden, die bei bestimmten Behörden eingerichtet wurden. Gemeldet werden dürfen insbesondere Verstöße, die straf- oder bußgeldbewehrt sind, wobei die bußgeldbewehrten Verstöße wiederum dahingehend eingeschränkt werden, dass nur solche betroffen sind, die dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen. Hinzu kommt ein langer Katalog an Verstößen gegen allerlei Spezialgesetze, die in § 2 HinSchG aufgeführt sind.

Dieses Recht, entsprechende Verstöße zu melden, wird unter anderem durch § 39 HinSchG abgesichert. Die Norm regelt: „Vereinbarungen, die die nach diesem Gesetz bestehenden Rechte hinweisgebender Personen oder sonst nach diesem Gesetz geschützter Personen einschränken, sind unwirksam.“

Vereinbarungen, die geeignet sind, das Melden von Verstößen zu verbieten, sind typischerweise Geheimhaltungs- oder Verschwiegenheitsvereinbarungen, auch als Non-Disclosure-Agreements (NDA) bekannt. Sie werden häufig in Arbeitsverträgen, tariflichen oder auch betrieblichen Vereinbarungen zu finden sein. Sie sind aber auch oft in Verträgen mit anderen Unternehmen oder Personen enthalten, die nicht im Arbeitsverhältnis mit demjenigen stehen, dem die Verschwiegenheit zugutekommen soll. Das HinSchG schützt aber nicht nur die Beschäftigten eines Unternehmens, sondern auch diejenigen Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangen können (vgl. § 1 Abs. 1 HinSchG). Der Schutzbereich ist also sehr weit gefasst, so dass zunächst alle Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitsvereinbarungen betroffen sein dürften.

Derartige Vereinbarungen gebieten typischerweise, während oder im Vorfeld eines Vertragsverhältnisses erlangte Informationen nur für die vorgesehenen Zwecke zu verwenden, oder untersagen es generell, diese Informationen mit Dritten zu teilen. Es kommt dabei natürlich auf die genaue Gestaltung der Vereinbarung an. Wenn diese etwa Meldungen an interne Stellen nach ihrer Formulierung zulässt, ist das Recht der internen Meldung eines Verstoßes nicht betroffen; externe Meldungen dürften aber jedenfalls betroffen sein. Die allgemeine Beschränkung der Weitergabe von Informationen, also auch intern, beschneidet daher zwangsläufig das Recht aus dem HinSchG, während des Vertragsverhältnisses wahrgenommene Verstöße zu melden. Wenn eine solche Vereinbarung nämlich pauschal verbietet, sich gegenüber anderen über interne Sachverhalte zu äußern, so bleibt von dem Recht, Hinweise über Rechtsverstöße zu geben, nichts mehr übrig.

Zwar stellt § 6 Abs. 2 HinSchG klar, dass Informationen, die einer vertraglichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, unter den Voraussetzungen des HinSchG trotzdem an die zuständige Stelle weitergegeben oder offengelegt werden dürfen. Darüber hinaus kann aber § 39 HinSchG auch die ganze Vertraulichkeitsvereinbarung beseitigen.

Vertraulichkeitsvereinbarungen, welche die Rechte aus dem neuen HinSchG nämlich nicht berücksichtigen, sind gemäß § 39 HinSchG unwirksam und damit nichtig (§ 134 BGB). Dabei wird in den meisten Fällen auch kein Raum für Umdeutungen oder erweiterte Vertragsauslegungen bleiben, um einen Restgehalt der Vereinbarung zu retten. Denn Vertraulichkeitsvereinbarungen sind regelmäßig für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert (§ 305 Abs. 1 BGB). Daher unterliegen sie der AGB-Kontrolle, womit eine geltungserhaltende Reduktion der Vertraulichkeitsvereinbarungen ausscheidet (§ 306 Abs. 2 BGB). Sie können also nicht einfach mit der Maßgabe weiterbestehen, dass der zur Verschwiegenheit Verpflichtete alles, was nach dem HinSchG erlaubt ist, weitersagen darf, über alles andere aber Stillschweigen bewahren muss. Es besteht vielmehr aufgrund des neuen HinSchG das Risiko, dass Vertraulichkeitsvereinbarungen, die den Schutz der hinweisgebenden Person nicht berücksichtigen, insgesamt nichtig sind. Dies hat wiederum zur Folge, dass derjenige, der im Rahmen einer solchen Vereinbarung versprochen hat, Verschwiegenheit zu bewahren, an diese nicht mehr gebunden ist und theoretisch Informationen frei preisgeben kann, sofern dies nicht von anderen Normen (etwa § 4 Geschäftsgeheimnisgesetz oder § 201 StGB) untersagt ist.

Auswirkungen auf bereits vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes abgeschlossene Verträge scheinen nicht gegeben zu sein. Da eine Rückwirkung im Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet ist, kann schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht davon ausgegangen werden, dass eine Rückwirkung auf ältere Verträge durch den Gesetzgeber gewollt ist, womit diese nicht betroffen sein dürften. Für zukünftige Vertraulichkeitsvereinbarungen, bzw. Templates oder Muster, auf denen diese basieren, sollte jedoch geprüft werden, ob sie die Rechte aus dem HinSchG ausreichend berücksichtigen, d.h. die Anforderungen des § 6 HinSchG widerspiegeln. Wir gehen derzeit davon aus, dass diese durch geringfügige Anpassungen der Drohkulisse des § 39 HinSchG und der damit einhergehenden Unwirksamkeit der gesamten Vertraulichkeitsvereinbarung entkommen können.

Fabian Eckstein

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Verschwiegenheitsvereinbarungen Geheimhaltungsvereinbarung HinSchG

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